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Fachtagung Schulkunst

Fachtag 17.09.2012

Referentinnen

Mandy und Luca erläutern ihre Vorschläge. Foto: Judith Ruzicka

Skulpturenpark Berlin-Zentrum

Matthias Einhoff
Matthias Einhoff, 1972 in Hildesheim geboren, machte zunächst eine Ausbildung zum Tischler. Danach studierte er an der Universität der Künste Berlin Visuelle Gestaltung sowie Experimentelle Filmgestaltung am Central St. Martins College, London. Als Mitbegründer des Kollektivs „Superschool“, Komponist und Performer experimentiert er an der Schnittstelle von Kunst und Alltag. Er hat unterschiedliche Projekte u. a. in Lahore/Pakistan, im Kunstverein Harburger Bahnhof, Hamburg und im Jaaga Creative Common Grund, Indien realisiert und an unterschiedlichen Universitäten gelehrt.
Seit 2006 arbeitet er als Kurator, Künstler, Forscher und Aktivist im Skulpturenpark Berlin_Zentrum. Als Mitbegründer von Wasteland Twinning entwickelt er 2011 eine Plattform für vergleichende Forschung und Kunst auf Brachflächen weltweit (www.wasteland-twinning.net). 2012 gründete er mit Philip Horst und Harry Sachs ein Zentrum für Kunst und Urbanistik als Schnittstelle von Kunst, Forschung und Alltag im ehemaligen Güterbahnhof Moabit. Viele seiner Arbeiten fanden Anerkennung über Stipendien und Projektförderungen. Matthias Einhoff lebt in Berlin.

Markus Lohmann
Markus Lohmann, 1970 in Münster geboren, studierte zunächst Industriedesign an der Fachhochschule Münster. Schon bald erschien ihm das produktorientierte Design suspekt und er widmete sich verstärkt der Gestaltung von öffentlichen Räumen. Nach dem Diplom wechselte er 1996 nach Hamburg und studierte an der Hochschule für bildende Künste (HfbK) Freie Kunst bei Bogomir Ecker, Carsten Höller und Nicola Torke.
In seinen modellhaften, dreidimensionalen Arbeiten thematisiert Markus Lohmann das Spannungsgeflecht zwischen privaten und öffentlichen Räumen. In seinen Arbeiten sucht er nach den verborgenen Regeln, die das Soziale formen und festlegen. In Auseinandersetzung mit und Anwendung von handwerklichen Fähigkeiten dekonstruiert er das homogen auftretende Bild des Alltags und legt dessen sinnstiftende Muster frei. Seine Strategien leben von einer Mischung aus Empathie für soziale Fragen und einem durch Popkultur und Ironie geschärften Blick. Er ist Mitbegründer des Skulpturenpark Berlin_Zentrum. Markus Lohmann lebt in Hamburg.

Statement

Unsere Arbeit im Skulpturenpark Berlin_Zentrum, wie auch unsere indivuelle Arbeit, folgt einem situationsbezogenen, recherchebasierten und letztlich prozessorientierten Ansatz. Dieser spiegelt einen veränderten Werkbegriff im Feld der Kunst: Der Schwerpunkt des ästhetischen Interesses ist nicht länger das fertige - meist visuelle - Werk, sondern der Produktionsprozess, der einen forschenden Charakter im Bezug auf Kontext mit sich bringt.
Wir begrüßen Initiativen, die sich nicht damit begnügen Kunst am Bau als einmalige Dienstleistung an der Architektur zu verstehen, sondern eine auf Dauer angelegte Auseinandersetzung mit Gesellschaft und dem Kontext des Werks suchen und aufrecht erhalten. — Markus Lohmann


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Luca Foley und Rose Guneswaran
Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Gerresheim beginnen gerade mit Schulkunst. Die erste Sammlung von Ideen stellen Luca Foley und (Mandy) Rose Guneswaran, 18 und 16 Jahre alt vor.

Statement

Was mir wichtig ist: Das sich sowohl Schüler als auch Lehrer dafür einsetzten, dass unsere Schule schöner wird und eine bessere Atmosphäre bekommt. — Luca Foley

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Tristan, Sabrina, Jennifer, Katharina, Laura, Tosca und Marcel
Viele Schülerinnen und Schüler der Alfred-Herrhausen Schule beteiligen sich am Projekt Schulkunst, das in der Alfred-Herrhausen Schule schon 2010 starten konnte. Auf dem Fachtag werden einige von ihnen die Arbeit in der Schule vorstellen und mitdiskutieren. Tristan, Sabrina, Jennifer, Katharina, Laura, Tosca und Marcel sind zwischen 14 und 15 Jahre alt und besuchen die neunte Klasse.

Statement

Die Terrasse ist unser Abitur. — Laura Kundt

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Joscha Langer und Davide Groppuso
Sechs Klassen der Schule haben von Mai 2011 bis März 2012 in der Planungsphase eines neuen Gebäudeteils Ideen gesammelt und weiterentwickelt und einen Schülervorschlag umgesetzt. Josche Langer und David Groppuso, 20 und 17 im 12. Jahrgang des Bildungsgangs Informationstechnik stellen die wichtigen
Projektschritte vor.

Statement

Prinzipiell finde ich das eine gute Sache. Was ich gut fand war, dass die Schüler sehr stark in der Planung mit eingebunden waren und dass wir die Freiheit hatten auch Sachen umzusetzen. Es ist ein bisschen schade, dass es mit dem Gebäude nicht so ganz hingehauen hat wie wir uns das vorgestellt haben.
— Davide Gruppuso

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Olaf Schmiemann
Olaf Schmiemann wurde 1971 in Arnsberg geboren und hat in Dortmund Maschinen- und Fertigungstechnik für das Lehramt an Berufskollegs studiert. Nach dem Referendariat am Cuno Berufskolleg in Hagen unterrichtete er bis 2007 am Berufskolleg in Ennepetal. Von 2007 bis 2010 war er pädagogischer Mitarbeiter beim Schulmanagement des Landes Nordrhein-Westfalen, einer Projektgruppe des Schulministeriums und des Landschaftsverbands Rheinland. Im Rahmen dieser Arbeit war er an der grundlegenden Reform der Qualifizierung und Eignungsfeststellung angehender Schulleiterinnen und Schulleiter in NRW beteiligt.
Seit 2010 ist er stellvertretender Schulleiter am Heinrich-Hertz-Berufskolleg in Düsseldorf.

Statement

Das Projekt Schulkunst hat den Schülerinnen und Schülern unserer Schule die Möglichkeit geboten, ihre Vorstellungen des neuen Schulgebäudes zunächst für sich zu entwickeln und dann den Fachleuten vorzustellen. Faszinierend zu beobachten war dabei, von welcher fachlichen Qualität die Ideen und Vorstellungen waren und wie die Fachleute diese Vorstellungen in ihr Gesamtkonzept integriert haben. Dank der guten Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler für die gemeinsamen Planungsphasen mit den Fachleuten,
fanden diese Austauschveranstaltungen absolut auf Augenhöhe statt. — Olaf Schmiemann

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Helmut Heuer
Helmut Heuer, 1955 in der Eifel geboren, studierte Architektur an der RWTH Aachen, wo er mit Auszeichnung abschloss. Nach seiner wissenschaftlichen Assistenz am Institut für Schulbau, Hoch- und Industriebau, Gebäudelehre der RWTH Aachen arbeitete er ab 1986 als Projekt- und Teamleiter im Büro Busmann + Haberer in Köln. Seit 1991 leitet er ein Architekturbüro, seit 1997 in Partnerschaft mit H.-J. Faust das Architektenbüro HeuerFaust in Aachen. Für seine Arbeiten wurde Helmut Heuer vielfach ausgezeichnet.
Helmut Heuer engagiert sich für Baukultur, nachhaltiges und energieeffizientes Bauen, in der Nachwuchsförderung, dem Denkmalschutz sowie der Sanierung und Schulbauforschung.

Gewinn für das HHBK
Die Künstler im von Schulkunst begleiteten Planungsprozess sorgen für Horizonterweiterungen. Durch die enorme Vielfalt von gut vorbereiteten Vorschlägen der SchülerInnen sind Qualitäten und zusätzliche Aspekte entstanden. Für mich war vieles ganz neu. Beeindruckt hat mich der Wunsch der Schüler nach „Weitblick“. Auch dieses Miteinander von Haus und Baum und was dieser Gedanke für Konsequenzen für den Bau hat. Weitere Aspekte waren der Einbezug des Sonnenstandes, die Bedeutung des Zugangs zur S-Bahn, das Querdenken bei der Laborzone und bei den Unterweisungsräumen, sowie der intensive Wunsch nach Kommunikationszonen mit vielen Sitzmöglichkeiten im Innen- und Außenbereich. Sogar zu den Fassadenmaterialien und Farben wurden Ideen entwickelt. Für mich ein tolles Beispiel dafür, wieviele Ressourcen und Kreativität bei den Schülern vorhanden sind, die nur geweckt und integriert werden müssen, damit das Bauen effizienter, besser und wirtschaftlicher wird. Der Zweck der Gebäude lässt sich so viel nutzerkompatibler umsetzen.

Künstlerische Strategien beim Schulbau – wie geht das?

1. Menschen finden über künstlerische Aktivitäten leichter Zugang zu Themen die mit Bauen und Raum zu tun haben; Dreidimensionalität, Materialität, Funktionalität. Die professionellen Planer erfahren so viel besser, was die Menschen, für die sie bauen, tatsächlich brauchen, was wichtig ist, was weniger wichtig oder verzichtbar ist.

2. Auch Fragen „Wie entstehen Geborgenheit, Weite, Einzigartigkeit?“ lassen sich im Rahmen von Kunstworkshops untersuchen.

3. Der gestaltete Umraum wird dann wieder selber zum „Lehrer“ und ermöglicht Kommunikation, Konzentration, Kontemplation etc..

4. Wer sich wohlfühlt, kann besser lernen. Wer von seiner Umgebung gefordert wird, entwickelt gute Ideen. Aktionen fördern den Dialog. Wer seine Umgebung gestaltet, schafft sich und anderen ein Zuhause und übernimmt Verantwortung.

5. Wer viel wahrnimmt, weil er dies z.B. in Kunstprojekten geübt hat, dem wird seine Umgebung zunehmend wichtiger. Das Miteinander bei der Gestaltung, das Mitsuchen einer Lösung, der Dialog mit den Anderen, das alles macht unsere Gebäude und unsere Welt ein Stück weit besser.

6. Es entstehen neue, auch ungewöhnliche Ideen, die eine echte Bereicherung und Qualitätssteigerung für die Gebäude und die Umgebung darstellen.

7. Kommunale Bauherrn sollten in ihrer Vorbildfunktion und mit ihren Möglichkeiten durch Künstler/innen begleitete Entwicklungsprozesse generell bei allen Projekten beauftragen, um Qualität, Transparenz und Teilhabe an kommunalen Projekten zu steigern und um nachträgliche Verweigerungshaltungen, Proteste und Vandalismus weitgehend zu vermeiden. Mut und Lust auf Neues, auf Erweiterung des eigenen Horizontes ist Lebensqualität und Bereicherung für Alle. Mitgestaltende, mitdenkende und mitfühlende Menschen sind wesentlicher Inhalt und Motor unserer Gesellschaft. Sie tragen wesentlich zum nachhaltigen Bauen und zur Inklusion in gegenseitiger Wertschätzung bei. — Helmut Heuer

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Pablo Molestina
Prof. Juan Pablo Molestina wurde 1955 in Quito, Ecuador geboren und wuchs als Diplomatenkind in Chile auf. Heute lebt er in seiner Wahlheimat Köln. Er studierte Architektur an der Yale University, USA, der AA, London, bei Hassan Fathy, Kairo, am I.L.A.D., Urbino, Italien sowie am MIT Cambridge, USA. Danach arbeitete er bei Cambridge Seven Ass. USA, Woo and Williams, Cambridge, bei Erich Schneider-Wessling, Köln. Seit 1991 mit eigenem Büro in Köln unter Molestina + Kraus, ab 1993 MDK Architekten. 2000 war er Gastprofessor an der DIA Bauhaus, Dessau. Seit 2001 hat er eine Professur für Gebäudelehre an der Fachhochschule Düsseldorf. Er ist Mitglied im Beirat Schulkunst.

Kunst ist Bau

Das Versprechen der neuen “Kunst am (ist) Bau” ist, dass sie uns alle involvieren könne, wie die Luft, die wir einatmen, die präsent, die da ist. Ihr Wert ist nicht in erster Linie das entstandene Objekt oder das Gebäude, sondern die Veränderung in uns selbst. Die Formen, die als Ergebnis solcher neuen künstlerischen Prozesse entstehen, sind berührend und einnehmend. Wir alle, Architekten und Nutzer, sind Teilnehmer des Kunstprojekts. Darin liegt die Magie.
Diese Dynamik muss in der Architektur über die Zeit ihrer Entstehung hinaus verankert sein. Der Raum selbst muss diesen Geist in sich tragen, so dass noch Generationen von Nutzern, berührt werden. Das ist die Herausforderung.

Statement

„Mein Interesse gilt vor allem Prozessen, die beiläufig in klare formale Ergebnisse münden, die aber diesen Formalismus nicht vordergründig suchen.
Mit diesem Projekt verbinde ich den Versuch, künstlerische Inhalte in die DNA der Prozesse von Schulbau einzupflanzen. Es interessiert mich der Blick auf das Ganze – wo es im Prozess des Bauens von Schulen normalerweise eher nur Einzelinteressen, Einzelbaustellen gibt.” — Pablo Molestina

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Jo Meyer
Jo Meyer, geboren 1966 in Würselen, studierte Architektur an der Fachhochschule Aachen. Nach seinem Diplom bei Prof. Werner Finke studierte er im Postgraduiertenstudiengang an der Kunstakademie Düsseldorf bei Prof. Ernst Kasper und Prof. Laurids Ortner, wo er 2000 abschloss. Seit 1998 arbeitet Jo Meyer als freischaffender Architekt, von 2000-2006 in der Architektengruppe Rheinflügel.
Jo Meyer erhielt 2000 den Förderpreis der Stiftung Deutscher Architekten und 2005 den Förderpreis für junge Künstlerinnen und Künstler des Landes Nordrhein-Westfalen. Jo Meyer begleitet seit 2010 Kinder und Jugendliche im Modellversuch Schulkunst darin, ihre Ideen im Detail auszuformulieren.

Darüber reden!

Mich interessiert am Schulkunstprojekt das Gespräch mit Schülern über ihre Schule. Als meine Aufgabe sehe ich, die Aufmerksamkeit auf die gebaute Umwelt zu lenken und für sie zu sensibilisieren. Erstaunlich war für mich, wie das Unverständnis für ein Problem weichen konnte, wenn wir es sozusagen im weiten Umlauf seitlich angegangen haben. — Jo Meyer

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Dietrich Dörner
Prof. Dr. Dietrich Dörner, geboren 1938 in Berlin, studierte Psychologie an der Universität Kiel und forschte ab 1979 als Professor für Allgemeine Psychologie an der Universität Bamberg. Von 1989 bis 1991 hatte er die Leitung der Arbeitsgruppe Kognitive Anthropologie der Max-Planck-Gesellschaft inne. Bis zu seiner Emeritierung im Sommer 2006 leitete er das Institut für Theoretische Psychologie an der Universität Bamberg.
Prof. Dr. Dietrich Dörner befasst sich mit Denken und Handeln in komplexen Realitäten und mit der Theorienbildung im Bereich “Handlungstheorie”. Er erforscht Handeln als Zusammenspiel von Kognition, Motivation und Emotion und entwickelt Theorien durch Simulation psychischer Prozesse in neuronalen Netzwerken. Prof. Dr. Dietrich Dörner hat umfangreich publiziert und ist Mitglied in unterschiedlichen Fachgesellschaften und Akademien. Für seine Arbeiten erhielt er viele Preise. Er lebt in Bamberg und engagiert sich auch nach seiner Emeritierung täglich weiter in seinem Institut.

Angst

Angst wird ausgelöst durch das Empfinden hoher Unbestimmtheit; man kann die Zukunft nicht voraussagen, man weiß nicht, was geschehen wird. Dazu muss dann noch das Empfinden kommen, dass man dem, was da immer kommen wird, machtlos ausgeliefert ist, dass man nichts tun kann. Unter dem Einfluss von Angst nimmt man von der Welt nur noch das wahr, was dem eigenen Weltbild entspricht. Wenn das Weltbild positiv ist, dann resultiert aus der affirmativen Wahrnehmung übertriebene Hoffnung. Ist das Weltbild aber negativ, dann resultiert daraus übertriebene Besorgnis, die Unterschätzung der Möglichkeiten, noch etwas tun zu können. Angst führt zu Verstärkung der affiliativen Tendenzen. Deshalb versucht der Ängstliche seine Bindungen zu festigen und möglichst zu vermehren. – Dafür aber muss er meistens “zahlen”, nämlich durch Anerkennung der Gruppenideologie. Solidarität ist gewöhnlich nicht kostenlos, sondern verbunden mit “Gruppendenke” (man muss das anerkennen, und das glauben, was die anderen auch glauben). Unabhängigkeit ist meist nicht gefragt und wird von vielen Gruppen als „Treulosigkeit” angesehen. So ist das mit der Angst! Oder?

Dasselbe Setting kann als Herausforderung gesehen werden oder Angst und Blindheit hervorrufen. Gelingende Projekte pendeln zwischen den Polen Sicherheit und Herausforderung, zwischen dem Bedürfnis nach Ordnungen und dem Zutrauen darin neue Ordnungen (mit-) zu schaffen. Die Unkonventionalität von Kindern und die von bewusster handelnden Erwachsenen Fachleuten, Wissenschaftlern, Künstlern befördern Lösungsideen. — Dietrich Dörner

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Christopher Dell
Christohper Dell, geboren 1965 in Darmstadt, verlebte seine Kindheit teilweise in Ranchi (Indien). Seit dem 6. Lebensjahr hatte er Klavier- und ab dem 11. Lebensjahr Schlagzeug-Unterricht. Er studierte Vibraphon, Schlagzeug und Komposition in Hilversum, Rotterdam sowie an der Berklee School of Music. Es folgte die weitere Ausbildung bei Karlheinz Stockhausen, Wolfgang Rihm und John Lindberg. Er arbeitet als Komponist und Vibraphonist und als Theoretiker. Dell gilt als führender Vibraphonist Europas. Mit verschiedenen interdisziplinären Projekten tourt er durch Kanada, die USA, Japan, Indien, Afrika und Europa. Seit 2000 leitet er das Institut für Improvisationstechnologie in Berlin. Als Architekturtheoretiker war er 2008 bis 2011 Professor für Städtebau/Urban Design Theorie an der HCU HafenCity Universität Hamburg. Sein Interesse gilt Praxen und Organisationsverläufen der zeitgenössischen Stadt. Zusammen mit Bernd Kniess und Michael Koch initiierte er 2008 das Lehr- und Forschungsprojekt “Universität der Nachbarschaften”. Christopher Dell ist Mitglied im Beirat Schulkunst.

Anders denken?

Christopher Dell wird seine spezifische Herangehensweise an das Thema Improvisation darlegen. Für ihn ist Improvisation weder etwas das passiert wenn etwas nicht klappt noch eine Angelegenheit für Genies sondern einfach konstruktiver Umgang mit Unordnung. Als solche stellt sie, so Dells These, eine Technologie dar, die zuerst erfordert einen spezifischen Blick auf die Handlungswirksamkeit von Unbestimmtheit zu erlangen. In der Lecture/Performance spricht Dell und spielt auch.

Statement

“Was mich an diesem Projekt interessiert? Es braucht Menschen, die ein Projekt haben. Die offen sind. Dies muss mit Struktur und Metaebene zusammenkommen. Projektzustand als Seinsform.”
“Das Produkt des Projekts Schulkunst könnte eines sein, an einer Politik des Sinnlichen zu arbeiten, Szenen bzw. Plattformen zu produzieren um Erfahrungsfelder der Schule zu verschieben und so Schule als Lernkollektiv emanzipierter Zuschauer neu zu versammeln. Damit würde an unsere These angeschlossen, dass Schule kein fixiertes Objekt ist, keine Tatsache, die eine fixierte Interpretation bzw. Repräsentation durch Experten bedarf, sondern aus Handlung vieler Zuschauer bzw. Nutzer entsteht. ... Um es mit Thomas Hirschhorn abschließend zu fomulieren: „...es (geht darum), eine Erfahrung zu machen, eine gemeinsame Erfahrung mit den Anwohnern, den Besuchern, den Passanten und dem Künstler. Ich denke, dass Partizipation ein Geschenk ist, eine Gabe. Es ist eine Gabe im Sinn eines Potlatsch: Ich muss zuerst etwas geben und damit den anderen herausfordern zu geben, mehr zu geben!“ — Christopher Dell

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Ute Reeh
Entwicklungsprinzipien von Schulkunst

von innen
Beginnen Sie zusammen mit denen, die bei großen Fragen oft nicht gefragt werden. Für das Wohl der Schülerinnen und Schüler wird sehr viel konferiert, gesprochen, gedacht und geforscht, aber immer noch sehr selten wird mit den Schülern selbst gesprochen. Damit zu beginnen, kommt allen zugute, dem Ergebnis, den Räumen, der sozialen Struktur. Sprechen Sie den strukturellen Rahmen vorher mit den „wichtigen Leuten“ ab.

wertschätzen
Sammeln sie auch das, was alle gut finden. Oft scheint es so selbstverständlich, dass es erst bemerkt wird, wenn es nicht mehr da ist.

klein beginnen
Ermöglichen Sie die Erfahrung: Das was wir uns ausgedacht haben wird wirklich umgesetzt. Es hat Qualität und Bedeutung, weil jede(r) genau hingesehen hat, weil jede Beobachtung wertgeschätzt wurde und alle zusammen daran gearbeitet haben.

mit zwei Schritten Vorsprung
Warten Sie ab, bis die SchülerInnen zwei Schritte Vorsprung haben, d.h. bis sie gezeichnet, geplant und Bilder entwickelt haben und erst dann holen Sie die Profis dazu.

veränderbar
Bauen Sie immer wieder Rückkopplungsschleifen ein, um Raum für kleine oder größere Anpassungen, Feinjustierungen und neue Ideen offen zu halten. Dazu gehört auch, Teilbereiche ganz in die eigene Hand zu nehmen und selbst behutsam umzusetzen und damit in der Realität zu überprüfen.

Unerwartetes integrieren
Mit den Aufgaben und der Erfahrung wachsen das Selbstbewusstsein und die realistische Selbsteinschätzung. Das wird sofort wieder gebraucht, denn die Projekte betreten immer auch Neuland und streifen immer wieder zunächst Unerwartetes, das dann mit zum Projekt gehört.

mit Rückkopplung
Geben Sie immer wieder Feedback an alle Beteiligten zum Wachstum, zu Unerwartetem, zu Hindernissen, zum Gelingen. Und geben Sie allen Beteiligten immer wieder die Möglichkeit Feedback zu geben.

Jeder hat sein Projekt im Projekt
Es funktioniert, wenn jede/r die Möglichkeit hat sich zu beteiligen. Zitat „Ich als Lehrerin kann auch das machen, was mir Spaß macht und auch etwas mit mir zu tun hat.“

Die Struktur gehört dazu
Wie groß die Gruppen sind, ob alle Schüler der Schule, Stellvertreter der Klassen, ein Jahrgang, kleine Gruppen von vier oder acht Schülern, oder auch mal zwei - an welche Fächer das Projekt gekoppelt ist, ob es im Unterricht integriert ist, oder zum Teil auf dem Gang parallel zu diesem stattfindet gehört mit zum Projekt.

Aus der Praxis der Improvisation
Was braucht Schulkunst und was tun, wenn die Bedingungen nicht optimal sind?

--> Ohne eine mutige Schulleitung, die hinter dem Vorhaben steht, geht es nicht. Stimmen Sie hier alles ab.

--> KünstlerInnen an Schulen brauchen einen oder mehrere Paten, die hinter dem Projekt stehen. Eine Patin/ein Pate sollte die Schulleiterin/der Schulleiter sein.

--> Kunst beinhaltet zu wissen: Alles kann auch anders sein. Auch Systeme wie Schule. Die Veränderung beginnt aber immer mit der Frage: Was genau ist wertvoll und was möchten alle (oder viele) genau so behalten?

--> Ziel ist das wachsende Bild der Beteiligten und Wege zu finden dieses Bild umzusetzen. Auch ein kleiner Schritt in diese Richtung ist schon viel. Das Bild wird sich auf dem Weg und mit jedem neuen Beteiligten weiter verändern und anpassen. Auch ökonomischer Druck kann fruchtbar sein, denn er zwingt dazu ernsthaft zu arbeiten und immer wieder herauszufinden: Was ist wesentlich?

--> Es gibt einen produktiven Umgang mit der Angst, der heißt: Alles gehört mit dazu. Auch alle Befürchtungen.

--> KünstlerInnen sind Spezialisten für Bilder. Prozesse als Bild zu betrachten, ermöglicht es, die nötige Distanz und den Überblick zu bewahren. Das ist eine wichtige Funktion der Künstler und Künstlerinnen als ProzessbegleiterInnen. Die Künstler haben neben den entstehenden Planungen der Schulgemeinschaft den Prozess selbst als plastischen Vorgang mit im Blick.

--> Kleine Schritte sind viel mehr als sie aussehen, denn: Sie machen Mut für größere.
Flankierende Begleiter (ArchitektInnen, TechnikerInnen, SchulentwicklerInnen, HandwerkerInnen) werden dort dazu geholt, wo die eigene Kompetenz nicht reicht.

--> Die volle Professionalität der Künstler ist gefragt, wenn es darum geht Formen, Strukturen und technische Möglichkeiten zu erfinden, die den technischen, sozialen und ästhetischen Rahmen für das langsam deutlich werdende Bild bilden können. Einiges an diesem Rahmen wird flexibel sein und bleiben, anderes werden klare Entscheidungen sein. Hier ist präzise Kommunikation zwischen der Künstlerin/dem Künstler als Ideensammler(in) und der Schulleitung, sowie mit der/dem Architekten und allen weiteren Beteiligten gefragt. — Ute Reeh

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Dr. Otto Seydel, Institut für Schulentwicklung

Dr. Otto Seydel wurde 1945 in Potsdam geboren. Nach dem Studium der Theologie und Pädagogik sowie Promotion arbeitete er von 1976 – 2001 in der Internatsschule Schloss Salem mit unterschiedlichen leitenden Aufgaben. 2002 baut er das Institut für Schulentwicklung auf. Schwerpunkte seiner Arbeit sind die Unterrichts-, Organisations- und Personalentwicklung. Er ist im Schulverbund “Blick über den Zaun” engagiert und hat hier das Leitbild einer “guten Schule” mitentwickelt. Er war Mitglied der Jury des Deutschen Schulpreises, die Projektentwicklung und Koordination der Akademie des Deutschen Schulpreises im Auftrag der Robert Bosch Stiftung lag in seinen Händen. Er ist als Fachberater bei verschiedenen Schulbauprojekten beteiligt. Otto Seydel lebt in Überlingen und ist Mitglied im Beirat Schulkunst.
“Kunst als Katalysator der Schulentwicklung?”
Die Gesetzmäßigkeiten, unter denen auf der einen Seite ein Künstler ein Kunstwerk “entwickelt” und unter denen auf der anderen Seite Lehrer und Schüler ihre Schule (weiter)entwickeln, sind zunächst einmal grundverschieden, erscheinen sogar gänzlich unverträglich.
Der Künstler ist unabhängig, er gehorcht seiner persönlichen Intuition, seinen eigenen Ausdrucks-”Gesetzen” - Schüler und Lehrer sind (auch dann, wenn sie es nicht so empfinden!) abhängig, sie lernen und arbeiten in einem Korsett von Vorschriften, Lehrplänen und knappen Ressourcen.
Der Künstler setzt sich mit seinem Werk öffentlicher Kritik aus, aber er unterwirft sich ihr nicht - der Schüler setzt sich mit seinem Werk dem Notenschema aus und muss sich dem fügen.
Der Künstler hat seine Arbeit frei gewählt - die Schule ist eine staatliche Pflichtveranstaltung.
u.a.w. …
Arbeitet ein Künstler (trotzdem) in einer Schule mit Schülern und Lehrern zusammen, so bewirkt dies – abgesehen von dem Werk, das entsteht – nahezu zwangsläufig eine Provokation: Wo bleibt die Einzelschule mit ihren eigenen Ausdrucks-”Gesetzen”? Helfen oder hindern den Schüler die Noten beim Lernen? Warum ist Schule in Deutschland – anders als in anderen europäischen Ländern – eine Pflichtveranstaltung? Lässt sich eine Schule ernsthaft auf die Arbeit mit einem Künstler in der Schule ein, ist sie immer auch mit sehr grundsätzlichen Fragen konfrontiert: Trägt die Institution Schule, so wie sie im Moment in unserem Land funktioniert, wirklich zur Bildung junger Menschen bei?
Interessant wäre im übrigen auch die Umkehrung der Eingangsfrage: Schule als Katalysator der Kunstentwicklung? Was geschieht mit dem Künstler, wenn er sich dem „System“ Schule aussetzt?
— Otto Seydel