Beirat    Kunst    PÄdagogik    Architektur    Weblog

Fachtagung Schulkunst

Fachtag 17.09.2012

Vortrag Ute Reeh

Entwicklungsprinzipien von Schulkunst

Ute Reeh hat bereits in unterschiedlichen Schulkunstprojekten Erfahrungen sammeln können und stellt dem Fachtag Prinzipien von Schulkunst vor.

von innen
Die Kommunikation von Innen beginnen meint, dass es lohnt zuerst mit den Schülern zu sprechen. Sie sind das Zentrum der Schule. Beginnen Sie zusammen mit denen, die bei großen Fragen häufig nicht gefragt werden. Für das Wohl der Schülerinnen und Schüler wird sehr viel konferiert, gesprochen, gedacht und geforscht, aber immer noch selten wird zuerst mit den ihnen selbst gesprochen. Damit zu beginnen, kommt allen zugute, dem Ergebnis, den Räumen, der sozialen Struktur.

wertschätzen
Kunst beinhaltet zu wissen: Alles kann auch anders sein. Auch Systeme wie Schule. Die Veränderung beginnt aber immer mit der Frage: Was genau ist wertvoll und was möchten alle (oder viele) genau so behalten? Es gehört zum Projekt, sich zeigen zu lassen, was alle wertschätzen und lieben. Auch um zu verhindern, dass man genau das verändert, was eigentlich gut ist. Oft scheint es so selbstverständlich, dass es erst bemerkt wird, wenn es nicht mehr da ist.

mit zwei Schritten Vorsprung
Warten Sie ab, bis die SchülerInnen zwei Schritte Vorsprung haben, d.h. bis sie gezeichnet, geplant und Bilder entwickelt haben und erst dann holen Sie die Profis dazu.

Grundvorraussetzung
Ohne eine mutige Schulleitung, die hinter dem Vorhaben steht, geht es nicht. Stimmen Sie hier alles ab. Ein Künstler der von außen kommt – und generell keine institionell verankerte Macht hat - braucht die Schulleitung als Schirmherr/Schirmfrau.

Strukturen abstimmen
Sprechen Sie den strukturellen Rahmen vorher mit der Schulleitung ab.

geduldig sein
Nehmen Sie wahr, dass es für alle ein Lernprozess ist.

klein beginnen
Ganz am Anfang sollte etwas Kleines stehen. Ermöglichen Sie die Erfahrung: Das was wir uns ausgedacht haben wird wirklich umgesetzt. Es hat Qualität und Bedeutung, weil jede(r) genau hingesehen hat, weil jede Beobachtung wertgeschätzt wurde und alle zusammen daran gearbeitet haben. Es ist gut mit einfachen, überschaubaren, konkreten, kleinen Projekten anzufangen. Kleine Schritte sind viel mehr als sie aussehen, denn: Sie machen Mut für größere.

veränderbar
Wichtig ist, dass auch die Projektprinzipien veränderbar sind. Wenn Projekte veränderbar bleiben, bedeutet das, dass sie wie beim Toilettenprojekt lebendig bleiben. Es bewirkt, dass Formen im Zusammenspiel zwischen Ritual und offenem Raum entstehen können.

Unerwartetes integrieren
Mit den Aufgaben und der Erfahrung wachsen das Selbstbewusstsein und die realistische Selbsteinschätzung. Das wird sofort wieder gebraucht, denn die Projekte betreten immer auch Neuland und streifen immer wieder zunächst Unerwartetes. Alles Unerwartete, auch das, was man sich wirklich nicht gewünscht hat – alles muss zum Projekt dazugehören. Dies gilt es als Herausforderung zu sehen. Es tauchen im Laufe der Zeit bei so einem Projekt immer weitere Herausforderungen auf. Mit ihnen wächst das Selbstbewusstsein der Beteiligten, der Schülerinnen und Schüler und der ganzen Schule.

mit Rückkopplung
Geben Sie immer wieder Feedback an alle Beteiligten zum Wachstum, zu Unerwartetem, zu Hindernissen, zum Gelingen. Und geben Sie allen Beteiligten immer wieder die Möglichkeit Feedback zu geben. Bauen Sie immer wieder Rückkopplungsschleifen ein, um Raum für kleine oder größere Anpassungen, Feinjustierungen und neue Ideen offen zu halten. Dazu gehört auch, das Schülerinnen und Schüler Teilbereiche ganz in die eigene Hand zu nehmen, selbst behutsam umsetzen und damit in der Realität zu überprüfen. Rückkopplung ist genauso wichtig wie die Wertschätzung. Es sollte immer wieder ein Forum geschaffen werden, in dem Kommunikation in alle Richtungen fließen kann.

jeder hat sein Projekt im Projekt
Die Projekte funktionieren dann, wenn jeder sein Projekt im Projekt hat – die Schüler genauso wie die Lehrer, wenn jede/r die Möglichkeit hat sich zu beteiligen.

die Struktur gehört dazu
Wie groß die Gruppen sind, ob alle Schüler der Schule, Stellvertreter der Klassen, ein Jahrgang, kleine Gruppen von vier oder acht Schülern, oder auch mal zwei - an welche Fächer das Projekt gekoppelt ist, ob es im Unterricht integriert ist, oder zum Teil auf dem Gang parallel zu diesem stattfindet gehört mit zum Projekt. Ganz entscheidend ist sich darüber bewusst zu sein, dass die Struktur zum Projekt dazugehört, wahrzunehmen, welche Basis ein Projekt braucht.

was Kunst kann
KünstlerInnen sind Spezialisten für Bilder. Prozesse als Bild zu betrachten, ermöglicht es, die nötige Distanz und den Überblick zu bewahren. Das ist eine wichtige Funktion der Künstler und Künstlerinnen als ProzessbegleiterInnen. Die Künstler haben neben den entstehenden Planungen der Schulgemeinschaft den Prozess selbst als plastischen Vorgang mit im Blick.

ein gemeinsames Bild
Bildhaft zu denken, gemeinsame Ziele als Bilder vor Augen zu haben, hilft über Klippen oder Schwierigkeiten hinwegzukommen. Ziel ist das wachsende Bild der Beteiligten. Auch ein kleiner Schritt in Richtung Umsetzung ist schon viel. Das Bild wird sich auf dem Weg und mit jedem neuen Beteiligten weiter verändern und anpassen.

Rahmenstrukturen
Die volle Professionalität der Künstler ist gefragt, wenn es darum geht Formen, Strukturen und technische Möglichkeiten zu erfinden, die den technischen, sozialen und ästhetischen Rahmen für das langsam deutlich werdende Bild bilden können. Einiges an diesem Rahmen wird flexibel sein und bleiben, anderes werden klare Entscheidungen sein. Hier ist präzise Kommunikation zwischen der Künstlerin/dem Künstler als Ideensammler(in) und der Schulleitung, sowie mit der/dem Architekten und allen weiteren Beteiligten gefragt.

ökonomischer Druck
Auch ökonomischer Druck kann fruchtbar sein, denn er zwingt dazu ernsthaft zu arbeiten und immer wieder herauszufinden: Was ist wesentlich?

umsetzen
Wichtig für alle sind kleine Schritte in Richtung Realität zu gehen und dabei genau zu wissen, wo sind die eigenen Grenzen. Das bedeutet dann mir dort Leute dazuzuholen, die mit ihrer Professionalität zum Projekt beitragen.

mit Ängsten umgehen
Mit Ängsten so umgehen, dass man sie wahrnimmt, aber trotzdem handlungsfähig bleibt. Es gibt einen produktiven Umgang mit der Angst, der heißt: Alles gehört mit dazu. Auch alle Befürchtungen.

Spaß haben
- Und zuletzt: Seien Sie sich darüber bewusst, was es für einen Spaß macht, wenn man als Gemeinschaft Ungewissheit und die Ängste zusammen besteht. Alle Beteiligten wachsen an diesen Projekten.

Video: Entwicklungsprinzipien

Videomitschnitt Julian Martinz 2012