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Fachtagung Schulkunst

Fachtag 17.09.2012

Podium

Wo liegt das Potential im Zusammenspiel von Schule, Kunst und Bauen? Wo knirscht es?

Podiumsgespräch mit Davide Groppuso und Joscha Langer, Schüler des HHBK; Olaf Schmiemann, stellvertetender Schulleiter des HHBK; Helmut Heuer, Architekt; Prof. Pablo Molestina, Architekt; Ute Reeh, Künstlerin und Jo Meyer, Architekt interviewt von Frauke Burgdorff

Frage an Pablo Molestina: An der Schule gab es die ersten Entwürfe, wie hat sich dann der Verhandlungsprozess wegen der Umsetzbarkeit gestaltet. Wie kann man überhaupt so einen Prozess organisieren?

Pablo Molestina: Das Magische an dem Projekt an der Alfred-Herrhausen-Schule war, dass man von den Schülerinnen und Schüler immer wieder dazu aufgefordert wurde über Grenzen zu gehen. Es wurde an die Studenten herangetragen etwas ganz Außergewöhnliches zu machen – das war toll. Enttäuschung ist immer mit dabei. Der Konflikt zwischen dem Lebensraum und der Pflichten, welche die Institutionen haben – diesen Konflikt muss man austragen.

Frage an Pablo Molestina: Was würdest Du sagen, wie man mit den unterschiedlichen Ansprüchen an diese „Kisten“ umgeht – also der Könnerschaft der Architekten einerseits und dem Wollen der zu Beteiligenden andererseits?

Pablo Molestina: Die Anforderungen müssen ganz klar sein, das ist ein Prozess der für alle spannend ist und irgendwann ist er vorbei – was bleibt ist die Architektur. Es ist diese Transzendenz und es muss aber weiterhin eine Botschaft leuchten. Es ist nicht so viel wert, wenn es nur ein großer Event war und am Ende eine banale politische korrekte entstandene „Kiste“ dabei herauskommt.

Frage an Herrn Schmiemann: Sie hatten zwar ein ganz konkretes Projekt, aber Sie haben sich ja eine Künstlerin mit einer eigenen Strategie dazu geholt. Was würden Sie rückblickend sagen, was hat die Arbeit von Ute Reeh in Ihrer Schule angestoßen?

Olaf Schmiemann: Ich kann nur für die Schülerinnen und Schüler sprechen, weil hier die Berührungspunkte am größten waren: da hat sich schon etwas getan, wie man beim Schülerinnen und Schüler Vortrag gesehen hat, denn die Schülerinnen und Schüler haben sich viele Gedanken gemacht (das ist an unserer Schule anders als an einem Gymnasium und nicht selbstverständlich, wegen der kurzen Verweildauer von drei Jahren an unserer Schule). Wichtig war zu zeigen „ihr werdet gehört und eure Ideen werden auch umgesetzt“. Ich sehe dass also nicht so negativ – da tatsächlich einiges umgesetzt wird, was die Schülerinnen und Schüler entwickelt haben.

Frage an Herrn Zerfass: Als Frau Reeh angefangen hat bei Ihnen zu arbeiten, war jeder im Kollegium damit glücklich?

Peter Zerfass: Als Frau Reeh angefangen hat, wusste man ja noch nicht was kommt. Es ist über die Dauer von drei Jahren insgesamt ein sehr anstrengender Prozess gewesen, dass muss man klar sagen. Aber ich glaube mit dem Ergebnis, damit sind die Kollegen glücklich. Es gab immer wieder Phasen wo es anstrengend war sich immer wieder damit auseinanderzusetzen. Wir gehen aber weiter und sagen, Schulkunst muss institutionalisiert werden, es soll bleiben und muss zu einem Fach werden. Wenn man also über den Prozess hinweg zum Ergebnis kommt, dann taucht auch irgendwann bei den Kollegen wieder das Glücksgefühl auf.

Frage an Ute Reeh: Dein Ziel ist es ja nicht am Ende gute Gebäude hinzustellen, es ist ja auch ein Vehikel, diese Partizipation am Bau. Was ist also dein Ziel und was ist noch in Bewegung, was entsteht noch?

Ute Reeh: Was wirklich wichtig ist – auch gesellschaftlich betrachtet – ist sich bewusst zu machen, welches Potenzial es in den Menschen gibt und dies deutlich zu machen. Die Ergebnisse sind insofern schon wichtig, denn an ihnen wird sichtbar was im Prozess funktioniert hat und was nicht. Das sieht man ziemlich genau.

Frage an Herrn Heuer: Sie sind als Architekt in das Projekt hinzugekommen. Vielleicht beschreiben Sie uns, was Ihre ersten Gedanken waren und wie sich der Prozess entwickelt hat.

Helmut Heuer: Ich habe mich total gefreut, weil dies ein Thema war, an dem ich selbst seit Jahren arbeite, wo mir aber selbst dieses spezielle „Know How“ fehlt. Daher war ich froh, dass sich die Stadt Düsseldorf dazu entschieden hat ein solches Projekt zu starten, da dies ein besonderer Weg ist, der ein besonderes Ergebnis verspricht. In der Zielgraden gab es einige Schwierigkeiten – aber ich muss an die Schülerinnen und Schüler und an Frau Reeh ein großes Kompliment aussprechen, denn ohne die kreativen Arbeiten der Schülerinnen und Schüler sähe das Gebäude jetzt ganz anders aus. Und wir bauen auch den Weitblick, den sich die Schüler gewünscht haben. Es ist wirklich der absolut kleinste Gemeinsame Nenner geworden (das hat mich auch selbst frustriert), aber wir haben den Baum gerettet, die Autos sind weg und wir haben auch den Weitblick untergebracht und wir bleiben weiter dran. Der Dialog ist da und insofern ist das für mich eine ganz tolle Sache und wäre ein Modell für alle anderen Projekte, sich in der Anfangsphase so viel Zeit zu nehmen, um feststellen zu können, was brauchen die Nutzer. So dass wir als Architekten erkennen können, wo sind die Prioritäten, so dass es auch dem Nutzer zu Gute kommt. Dies ist für mich auch ein Gebot der Nachhaltigkeit, nur das zu bauen, was auch Qualität hat. Damit sind wir aktuell am Nabel der Zeit.

Frage an Jo Maier: Du bist bei allen Projekten nah daran, und diese Startphase, die Herr Heuer eben noch mal betont hat, ist wichtig. Wie hast du das erlebt – braucht man dafür eigentlich Kunst?

Jo Meyer: Die erste Sache ist, die Zeit ist viel zu knapp – man sollte sich noch viel mehr Zeit dafür nehmen. Es werden im Berufskolleg 12-15 Millionen verbaut – das ist für eine Schule eine hohe Investition. Und was den Kommunikationsprozess angeht, das hat gut geklappt, aber der zeitliche Korridor, den die Stadt vorgegeben hat, müsste durchaus noch etwas breiter sein. Schulintern hätten wir auch mehr Zeit gebraucht. So ein Projekt muss Teil des Schulalltags werden können. Die andere Sache ist, da ich mir ganz sicher, dass das ein gutes Gebäude wird. Ich glaube auch, dass vieles davon Umgesetzt wird, was sich die Schülerinnen und Schüler ausgedacht haben. Und ich sehe es wie Herr Molestina: Es muss nicht alles umgesetzt werden, was sich die Schülerinnen und Schüler vorgestellt haben. Das ist auch nicht das Wichtige an dem Schulkunstprojekt. Das Wichtigste ist, dass die Kommunikation angestoßen wird, dass ein kommunikativer Prozess entsteht und das man diesen Prozess nicht abreißen lässt – und genau das ist hier passiert. Ich hätte mir eigentlich nur gewünscht dass jemand von der Stadt gekommen wäre und den Schülern begründet hätte, warum was nicht umgesetzt werden konnte.

Frage an Joscha Langer und Davide Groppuso: Ihr seid ja Schüler eines Berufskollegs, ihr habt also wenig Zeit. Beschreibt doch einmal, was ihr dabei gelernt habt und ob ihr glaubt, das später weiter verwenden zu können?

Joscha Langer: Natürlich haben wir tolle Einblicke gehabt – ich habe erfahren, dass man auch als kleiner Schüler in der Schule sehr viel bewegen kann. Wir haben alle zusammengearbeitet und da sind viele Eindrücke durchgekommen, die umgesetzt und gehört wurden und das hat schon sehr viel Spaß gemacht.

Davide Groppuso: Das Gute war, das wir auch etwas verändert haben – daran sieht man auch, dass die Schule dies zulässt, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Ideen einbringen können – und auch umsetzen können.

Frage an Molestina: das Budget – es ging um Millionen – gibt es da so eine Idee, wenn wir so viel Geld haben, dann können wir auch ganz viele Künstler einbeziehen? Wie wichtig ist die Projektgröße?

Pablo Molestina: Eigentlich ist die Summe mehr oder weniger egal, die Budgethöhe heißt nicht unbedingt, dass man diesen Freiraum hat. Interessant finde ich den Raum und einen eingeschränkten Raum zu entwerfen. Enttäuschung ist auch ein Teil, den man bezahlen muss. Es ist wichtig mit den Erwartungen der Beteiligten in so einem Prozess umzugehen. Wir planen und träumen nicht in einen leeren Raum – wir arbeiten der Gesellschaft zu - das ist eine hohe Verantwortung.

Olaf Schmiemann: Wir reden immer über die Enttäuschung der Schülerinnen und Schüler. Es ist doch die Frage, aus welcher Perspektive wir das betrachten. Wir hätten das am Ende vielleicht moderieren können. Aber am Ende gibt es einen Entscheidungsträger und das ist die Stadt und die setzt am Ende fest „so oder so nicht“ und die hätte man ggf. früher in Boot holen sollen, da hat der Dialog gefehlt. Also dauerhaft mitkommunizieren. Sonst gibt es am Ende für die Schülerinnen und Schülereine graue Instanz – eine Black Box und in die geht unser Modell hinein und kommt am Ende irgendwie gefiltert wieder heraus. Und das ist der Fehler glaube ich.

Ute Reeh: Wir hatten zwei Workshops wo wir versucht haben, alle mit ins Boot zu holen. An einem Workshop war auch die Verwaltung beteiligt. Das ist wichtig und das ist das Geheimnis daran, dass alle in einem Boot sitzen und dass etwas entsteht, das das Bild von allen ist. Wenn das so ist, haben die Dinge auch die Chance am Ende Realität zu werden. Das Projekt wurde von der Schulleitung gestoppt und dies ist jetzt sichtbar. Trotzdem ist viel geschehen.

Publikumsfrage (Prof. Günther Opp, Uni Halle): Warum brauchen wir Frau Reeh? Also warum kommen Schulen, Schüler, Architekten nicht selbst auf die Idee? Brauchen wir Schulkunst, so wie sie von Frau Reeh verkörpert wird?

Antwort von Helmut Heuer: Sie brauchen eine Person, die in der Lage ist eine Perspektive von außen wahrzunehmen und diese zu formulieren.

Jo Meyer: Das Wichtige beim Konzept von Frau Reeh ist, dass sie es so moderiert, dass alle Beteiligten darin ihre Rolle haben aber auch aus ihrer Rolle heraustreten können. Sie brauchen jemanden in diesem Projekt der keine Rolle hat.

Ute Reeh: Was unsere Berufsgruppe aber zusätzlich mitbringt, ist den Prozess auch als Performance wahrzunehmen und seine Gestalt mit seinen Zusammenhängen wahrzunehmen. Wir sind Profis darin Bilder zu entwickeln und uns bildlich darüber bewusst zu werden, wo wir eigentlich stehen.

Publikumsbeitrag: Ich glaube schon, dass die Schulen das aus eigenen Mitteln schaffen können. Wir haben viele Kunstlehrer die früher Künstler waren. Was mir eher Sorgen macht ist, dass wir nicht jedes Mal das Rad neu erfinden müssen, und dass bei uns in Hessen Unsummen für Schulsanierung ausgegeben werden, wovon nichts für die Gestaltung von z.B. Schulhöfen vorgesehen ist. Für so etwas müssen wir immer Spendengelder akquirieren. Für künstlerische Maßnahmen bleibt am Ende nie etwas übrig. Vielleicht kann diese Tagung einen Appell formulieren, so dass man dafür eine feste Regelung finden kann.

Ergänzung von Helmut Heuer: Ich halte es für gut tauglich, dass so ein Querdenkprozess von außen angeregt wird (weil die eigenen Ressourcen nicht immer im eigenen Haus vorhanden sind). Der demokratische Prozess – wie die Schülerinnen und Schülerzusammengearbeitet haben – war mir das Wichtigste, wie sie Lösungen gefunden haben.

Video: Wo liegt das Potential im Zusammenspiel von Schule, Kunst und Bauen? Wo knirscht es?

Dauer: 29:42 min
Videomitschnitt Julian Martinz, 2012