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Fachtagung Schulkunst

Fachtag 17.09.2012

Genese von Schulkunst

Die Bedeutung von Struktur und die Arbeit mit Unbestimmtheit

Ute Reeh stellt zu Beginn eine ihrer Performances aus dem Ende der 80ziger Jahre vor, die als Bild ihres Ansatzes für die Schulkunst Projekte – in Bezug auf die Bedeutung von Struktur und der Arbeit mit Unbestimmtheit – zu verstehen ist. Dies meint den Gedanken der Teilhabe und der Aufhebung von Kontrolle. Bei dieser Performance war nicht klar, wer der Hauptakteur ist: Ein Raum voll mit Menschen – wer ist hier eigentlich der Performer? Jeder war Teil der Performance. Es gibt einen weiteren Gedanken, der mit dem Projekt zu tun hat: Der Einbezug des Unkontrollierten. Ute Reeh verdeutlicht den Gedanken des Unkontrollierten an einem anderen Projekt: Zu „Muster“ gehörte, dass ein besonders Muster auf Bettwäsche gedruckt wurde, die in unterschiedlichen Läden auf der ganzen Welt angeboten wurde. Die Künstlerin wusste nicht, wann, wo und vom wem sie gekauft und benutzt wurde. Sicher war, dass darin in nicht bekannten Regionen der Welt „Performances“ stattfinden die sich jeder Kontrolle entzogen.

Ein Aspekt, der Ute Reeh wichtig ist: Die Lust daran zu vermitteln, was passiert, wenn man die Dinge genau anders herum sieht – also etwas von oben, anstelle von unten usw. betrachtet: Dies sind Denkangebote. Das Denken, wahrnehmen und Handeln liegt in der Hand der Menschen, die mit der Kunst umgehen und nicht mehr in den Händen des Künstlers. Der Künstler gibt zu Anfang den Impuls und schafft eine Struktur. Dinge zu benutzten, um sich seiner selbst gewahr zu werden – also auch das eigene Potenzial wahrzunehmen und die Dinge auf die eigene Art und Weise zu benutzen. Das liegt in den Händen derjenigen, die mit Kunst umgehen!
Das Toilettenprojekt, oder: Wie aus aussichtslosen Situationen Unvorhersehbares entsteht.

Video: Ute Reeh über Schule

Videomitschnitt Julian Martinz 2012


Zum System Schule bemerkt Ute Reeh folgendes Phänomen: Wenn man in Schule oder den Kindergarten geht, dann ist eines ganz klar: Es geht um richtig oder falsch. Genau hier setzt sie an, wenn sie zeigt, was alles passieren kann, wenn man die Kategorien „richtig“ und „falsch“ hinter sich lässt und sich selbst und die anderen wertschätzt. Das Toiletten-Projekt dient als Veranschaulichung dessen, was sich bewegen lässt.: Zu Beginn stand folgende Äußerung einer Schülerin: „Frau Reeh mir hat das alles Spaß gemacht, das ist ja alles gut und schön, aber wissen Sie, es gibt Sachen, die kann man nicht ändern und die sind ganz schrecklich – und das ist das mit den Klos“. Dies war der Beginn eines großartigen Projekts. Wenn eine Situation aussichtslos erscheint, dann wird es für sie als Künstlerin interessant, denn dann ist das Potenzial für wirkliche Veränderungen gegeben. Wenn Schüler ein eigenes Interesse haben, sich mit etwas beschäftigen, dass aus ihrer Perspektive wichtig ist, sind ungeahnte Änderungen und Lösungen möglich. Die Toilette war der einzige Ort an dieser Schule, der nicht beaufsichtigt bzw. kontrolliert wurde. Aber gleichzeitig ein Ort, den eigentlich niemand mochte und mit dem Ängste verbunden waren. Das Projekt funktionierte deshalb so gut und lief so lange, weil die Schülerinnen und Schüler sich diesen Ort durch unterschiedliche Interventionen/Strategien zueigen machten. Der Ort wurde während des Projekts – das über viele Jahre lief – zu ihrem Ort, zu ihrer Bühne, wo sie ihre Rolle spielen konnten. Die Kinder wurden von vorhinein einbezogen, auch was ihre eigenen Ängste betraf und ein wichtiges Thema vieler Schulen ist: „wie setze ich mich durch“.