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Kunst — Pädagogik — Architektur

1. Beiratssitzung zum Projekt „Arm und Reich? - ein Café am Wittenberger Weg“

Die erste Beiratssitzung zum Projekt „Arm und Reich? Ein Café am Wittenberger Weg“ findet am 09. März 2015 in der Alfred-Herrhausen-Schule statt und wird von Ute Reeh moderiert. Nach der Begrüßung stellt sie die Schule mit einer Erinnerung vor. „Beim ersten Besuch der Garather Förderschule wurde ich auf dem Schulhof Zeuge eines Konfliktes zwischen einigen Schülern, der aber wiederum in Sekundenschnelle von anderen Schülern aufgelöst wurde. Das hat mich beeindruckt, weil es selten passiert dass mit so einer Souveränität soziale und emotionale Probleme geklärt werden.“

1 - Alfred-Herrhausen-Schule

Die Alfred-Herrhausen-Schule ist eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen sowie emotionale und soziale Entwicklung. In den 70er Jahren wurde sie als eine klassische Sonderschule für Lernbehinderte gegründet. Seit dem Jahr 2000 gibt es eine Erweiterung mit dem Schwerpunkt soziale und emotionale Entwicklung. Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten, die auf einer allgemeinen Schule häufig nicht hinreichend gefördert werden, sind hier gut aufgehoben.

Als Hauptstandort der Förderschulen für den Bereich Düsseldorf interessiert sich die Alfred-Herrhausen-Schule schon lange für die Realisation künstlerischer Projekte. Das Interesse von SchülerInnen, engagierten LehrerInnen und KünstlerInnen galt bisher vor allem der ortsspezifischen Gestaltung des Stadtteils Garath.

Seit 2009 entwickelt die Künstlerin Ute Reeh über das prozessorientierte Arbeiten mit Schülern, Kunstprojekte für und mit der Förderschule. So zum Beispiel wurden Hinterglaszeichnungen für den neu gebauten Toilettenbereich entwickelt und eine Terrasse, die eines der beiden Schulgebäude mit dem Außenraum verbindet.

2 - "Arm oder Reich? - Ein Café am Wittenberger Weg

Aus den positiven Erfahrungen vorangegangener Projekte heraus, entstand die Idee etwas für die Siedlung am Wittenberger Weg in Garath zu entwickeln. Etwa ein drittel der Schülerinnen und Schüler der Alfred-Herrhausen-Schule stammen aus dem Viertel. Die soziale Struktur dieses Stadtteils sollte dabei eine wichtige Rolle spielen.

Im ersten Gespräch stellten die beteiligten Jugendlichen fest, dass eine selbst konzipierte, gemeinsame Mitte fehlt. Ein Café, ein Raum der Begegnung in dem man etwas zu Essen kaufen kann. Daraus wurde die Geschäftsidee eines kleinen Mittagstisch für die Anwohner und Mitarbeiter der vielen umliegenden Betriebe. Es sollte ein Ort sein, wo man gern zusammen ist und manchmal isst. Die Qualitäten der Menschen im Viertel, ihre Geschichte, das was sie sind und was sie sich wünschen sollte dort sichtbar sein.1

Im letzten Jahr entwickelten die Schüler der Klasse Scheller/Rehl in Zusammenarbeit mit Studenten der FH Düsseldorf/ Fachbereich Architektur, unter Leitung von Pablo Molestina, Peter Pütz und Jörg Leeser einen Entwurf für das Café am Wittenberger Weg2.

3 - Das Café und seine Modelle

Die Schulglocke läutet, um 11.00 Uhr stellen die Schüler der Klasse Scheller/Rehl ihr Projekt dem Beirat vor. In Form eines kleinen Vortrages schildern die Kinder abwechselnd ihren Beitrag zum Caféprojekt. Die Skizzen und Projektideen sind beeindruckend. Die Kinder sind sich ganz sicher: Das Café wird gebaut.

Anschließend suchen die Kinder sich einen „Paten“ aus dem Beirat aus. Ausgehend von ihren Knet- und Pappmodellen, Farbstudien für die Innenarchitektur und selbst erdachten Rezepten, erzählen die Kinder über ihre Vorstellungen des Cafés.

Auch die Zusammenarbeit mit den Studenten der FH Düsseldorf ist in Zitaten der Kinder und dem großen Modell ersichtlich. So zum Beispiel erzählt Kevin von dem Kräutergarten, den er gemeinsam mit einer Studentin der FH Düsseldorf entwickelt hat. „Die Brenneseln aus dem Kräutergarten werden für den selbstgemachten Tee verwendet und können darüber hinaus auch noch verkauft werden, denn davon wird’s im Kräutergarten ganz viele geben. So kann man noch ein bisschen Geld verdienen.“

Bei der Präsentation der Modelle wird schnell klar, dass es hier über die Architektur hinaus vor allem auch um einen Ort des Austausches und der Kommunikation geht. Laura sagt dazu: “Im Café soll man die Geschichten aus dem Viertel mitbekommen“. Es soll ein Ort des miteinander und füreinander sein, den die Kinder selber mitgestalten wollen.

4 - Projektverlauf - Aufzeigen von Möglichkeiten

Das Modell steht. Jetzt richten sich alle Augen auf die Realisation des Projektes. Die Kooperation mit der FH Düsseldorf macht es möglich jetzt, nach Fertigstellung des Modelles, einen Bauantrag zu stellen.

Pablo Molestina betont, dass die Studierenden im kommenden SS 2015 selbst den Bauantrag erarbeiten sollen, da dies ein Teil der Ausbildung im Studium ist. Insbesondere Peter Pütz begleitet die Studenten bei der Antragsstellung. Normalerweise dauert es 2 bis 6 Monate bis ein Antrag bewilligt wird. Danach ist der Bauantrag 2 Jahre gültig. Durch eine Kooperation mit der für den Bauantrag zuständigen Stelle könnte die Bearbeitungszeit dadurch erheblich gesenkt werden.

Ursula Holtmann-Schnieder schlägt vor, Herrn Meyer, Amtsleiter des Amts für Verbraucherschutz, einzubeziehen um zu gewährleisten, dass alle Auflagen bereits bei der Planung berücksichtigt werden.

Immer wieder wird betont wie wichtig die Partizipation der Schüler und Bewohner des Viertels beim Bauprozess ist. Demnach wird die Bauzeit auf ungefähr ein Jahr angesetzt.

Dennoch gilt, solange die Finanzierung noch nicht steht kann mit dem Bau nicht begonnen werden.

5 - Bau des Cafés

In den Gesprächen mit den Kindern wurde immer wieder deutlich wie detailliert die Vorstellungen von dem Café waren. Die Toiletten sollten an eine Unterwasserwelt erinnern, das Dach soll zumindest zum Teil aus Milchglas sein und der Raum mit Licht durchflutet, natürlich soll es auch viele Sitzplätze geben.

Ute Reeh schlägt den Lehmbau als Bautechnik vor. Da sich am Bau einer Lehmwand viele Menschen beteiligen können ist diese Technik für ein gemeinsames Bauen geeignet. Außerdem riecht Lehm angenehm, schafft ein angenehmes Raumklima und ist im Gegensatz zu anderen Materialien einfacher zu reparieren. Auch die Akustik und die Atmosphäre des Raumes würden sich durch die dicke Lehmwand verändern.

Pablo Molestina sagt dazu: „Die ästhetisch konstruktiven Zwänge machen die Atmosphäre aus. Darauf muss man sich einlassen und nicht dagegen kämpfen.“

6 - Wie kann man den Prozess anfangen obwohl die Hülle noch fehlt?3

Ute Reeh berichtet, dass ein sehr guter Koch und Betriebswirt aus Perleberg kommen wird, der überlegt das Projekt betriebswirtschaftlich und kulinarisch zusammen mit den Kindern und Jugendlichen aufzubauen.

Die Idee für den Lehmbau kam über den Kontakt zu den beiden Städten Wittenberge und Perleberg nach denen die Straßen im Stadtteil Garath benannt worden sind, meint Ute Reeh.

Lehmbauer aus der Stadt Wittenberg begeistern sich für das Projekt und würden gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen der Alfred-Herrhausen-Schule Lehmwände bauen. Bevor es aber mit dem Bau losgeht, können Materialstücke aus Lehm gebaut werden. So lernen die Kinder das Material kennen und verstehen.

In der kommenden Projektphase, vor dem eigentlichen Bau, sollten die Kinder über die Materialstücke aus Lehm hinaus, kleinere Projektarbeiten starten und Fortschritte für das Café erkennen.

So zum Beispiel können Keramikplatten für die Unterwasserwelt in den Sanitäranlagen vorbereitet werden. In diesem Projektteil wird die Kunstakademie Münster, Klasse für kooperative Strategien einbezogen.

Julia Hagenberg schlägt eine Zusammenarbeit mit dem Museum über die von Jorge Pardo und Atelier van Lieshout entworfenen Cafés vor. Das Projekt könnte darin sichtbar werden und so eine Verbindung zwischen den Orten zeigen.

Rita McBride findet eine Zusammenarbeit zwischen Studenten der Kunstakademie Düsseldorf und Schülern interessant. Hier würde man vor allem auf das Medium Film und Sound zurückgreifen, um mit dem Atmosphärischen, was noch nicht materiell ist, zu arbeiten.

Außerdem gibt es noch das Thema Möbel fürs Café. Hier ist eine Zusammenarbeit mit Studenten der FH Düsseldorf und der Kunstakademie Düsseldorf oder Münster möglich. Aus dieser Anregung entstand nach der Beiratssitzung die Idee einer "Lehmbank", eine Sitzskulptur/Sitzbank/niedrige Mauer neben dem zukünftigen Café.

7 - Finanzierungsplan

Nach realistischen Einschätzungen der Beiratsmitglieder wird die Bausumme sich auf ca. 250.000 Euro belaufen. Ungefähr 20 % können durch das Selberbauen eingespart werden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass diese Summe für Handwerker ausgegeben wird, die das Selberbauen begleiten.

Bisher hat der Verein für den Bau Förderungen in einer Höhe von 71.000 Euro zugesichert bekommen. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus Geldern der IKEA-Stiftung (48.000 Euro), wobei diese für Handwerker gedacht sind, die zusammen mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten und diese anleiten.

Die Stadtbaukultur NRW unterstützt das Projekt derzeitig mit einer Startfinanzierung von über 25.000 Euro, die zum Teil für den Bau des 1:1 Modells im vergangenen Mai verwendet wurden. Die Finanzierung läuft Ende 2015 aus und soll die Vorarbeiten4 für das Café finanzieren.

Über die Förderung der Aktion Mensch kann eine Evaluation des Projektes im bescheidenen Rahmen finanziert werden. Hier soll vor allem das prozessorientierte Arbeiten dokumentiert werden. 5

Der Fehlbedarf für die Baukosten beträgt etwa 180.000 Euro.

Einen Teil dieser Geldmittel (zwischen 10.000 und 30.000 Euro) möchte Ute Reeh gemeinsam mit den Kindern mit Vorträgen, Briefen und Aktionen akquirieren.

Für die restlichen ca. 170.000 Euro müssen noch zusätzliche Fördermittel akquiriert werden.

8 - Recherche nach Förderinstitutionen

Die Recherche nach Fördermitteln für das Projekt von Ursula Holtmann-Schnieder zeigt zwei Möglichkeiten auf. Laut Frau Nakelski, Ministerialrätin aus dem Bauministerium, gibt es folgende Optionen:

a) Das Projekt „Arm und Reich? Ein Café am Wittenberger Weg“ wird Bestandteil von Garath 2.06. Der Stadtteil Garath wurde in der Vergangenheit über „Soziale Stadt NRW7“ gefördert. Nun gäbe es die Möglichkeit europäische Fördermittel (ESF und Efre) zu beantragen. Die Antragsverfahrungen sind sehr aufwendig, der Prozess Garath 2.0 steht erst am Anfang, deswegen müsste hier mit langen Wartezeiten von bis zu 3 Jahren gerechnet werden.

b) Da das Projekt schon entwickelt ist, wäre es möglich Geldmittel aus der Wohnungsbauförderung zu bekommen. Zum Thema Quartiersentwicklung würde mit Fördergeldern im Wohnungsbestand am Standort Siedlung Wittenberger Weg investiert werden. Im Rahmen dieses Projektes könnte das Café als Kommunikationszentrum der Quartiers dienen. So wird nicht nur der Bau, sondern auch eine Anschubfinanzierung gefördert.

Der Rechtsträger der den Antrag für oben genannte Varianten stellt, wären die Stadt oder die SWD.

9 - nächster öffentlicher Termin

Kurz vor Abgabe des Bauantrages, wird am 11. Juni 2015 die nächste Veranstaltung stattfinden. Hier sollen Visualisierungsmodelle und eine 1: 1 Materialprobe vorgestellt werden. Der Ort wird noch bekannt gegeben.

Am Dienstag, 2.Juni gibt es um 19 Uhr in der Kunsthalle Düsseldorf ein Nachtfoyer zu "Was Kunst kann, Kunst am Bau als Prozess und als Katalysator für Schulentwicklung". Das Buch zum Modellversuch Schulkunst wird vorgestellt und diskutiert.

Fragen und Themen für die kommenden Beiratssitzungen

- Fragen der Gewerbeaufsicht

- Betriebsstruktur

- Einbeziehung der Bewohnerschaft aus dem Sozialraum in die Beiratssitzungen.

- Projektstand formulieren (Newsletter)

Teilnehmerinnen:

Beirat:

Julia Hagenberg
Jürgen Heddergott
Ursula Holtmann-Schnieder
Prof. Rita McBride
Prof. Pablo Molestina
Sandra Jaspers in Vertretung für Thorsten Nolting
Hanna Hinrichs in Vertretung für Tim Rieniets
Peter Zerfaß
Ute Reeh
Heinz-Werner Schnittker
Dr. Gregor Jansen, Prof. Reinhold Knopp waren verhindert.

Team:

Pia Kalenborn, Projektassistenz und
Felicitas Rohden, Organisation des Beirats und Protokoll

Gäste:

Schülerinnen und Schüler der Klasse Scheller/Rehl - mit ihren Lehrerinnen Birgit Scheller und Silke Rehl, Alfred-Herrhausen-Schule, Düsseldorf

FUSSNOTEN

1(Zitat Ute Reeh, http://www.schulkunst.org)

2 Die in den 60er Jahren gebaute Siedlung Wittenberger Weg konfrontiert Bewohner, Anwohner und Politiker mit scheinbar schwer lösbaren Problemen.

3 Zitat Ute Reeh

4So zum Beispiel das Bauen einer Materialprobe aus Lehm, evtl. herstellen von (Außen-) Möbeln, herstellen von Keramikplatten für die Toiletten des Cafés.

5 Es stellt sich die Frage: Was ist anders, wenn ein solcher Prozess von einem Künstler initiiert ist? Was unterscheidet es von anderen Arbeitsprozessen? Für diese Betrachtung sind bisweilen Stephanie Sczepanek, Künstlerin aus Münster und Georg Malitz, Philosoph aus Bochum involviert.

6Im Rahmen der Stärkung der Stadtteile soll Garath 2.0 sehr umfangreich werden. Es betrifft den Wohnungsbau, die Infrastruktur, lokale Ökonomie, Arbeitsplätze und soziale Unterstützung.

7http://www.soziale-stadt.nrw.de/