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Emscherkunst

EMSCHER.schul.KUNST

Raum

Steg über die Emscher und Enten. Meike. 28.05.2013. Klasse 8b, Gesamtschule Weierheide

Dem Fluss Raum geben

Die Dinge sind im Fluss – das kann heißen, dass sich die Dinge wie von selbst entwickeln, ohne dass es ständig stockt und einfach nicht vorankommt. Es kann auch bedeuten, um Hindernisse herum zu fließen statt gegen sie anzurennen. Dieses Bild vermittelt, dass Leben ein Prozess ist, in dem sich nichts unveränderlich festhalten lässt. Das kann Angst machen. Wir haben die Dinge gerne unter Kontrolle.

Der Wunsch, Flüsse als zuverlässige Transportwege nutzen zu können, unvorhergesehenen Wegen des Flusses vorzubeugen und Unbestimmtheiten möglichst zu vermeiden, führte zu Begradigungen und betonierten Ausschachtungen. Bemerkenswert sind die Probleme, die diese Kontrolle und die dafür nötigen Hierarchien verursachen. Deiche, kanalisierte Gewässer und der damit einhergehende Verlust von natürlichen Ausweichräumen bescheren katastrophale Überschwemmungen. Darum wird den Bächen und Flüssen in ihren Oberläufen, dort wo sie beginnen, inzwischen wieder Platz gegeben. Man hat erkannt: Dieser Raum zum Mäandrieren ist nachhaltiger Hochwasserschutz und eine günstige Möglichkeit, sauberes Wasser und Lebensraum auch für Enten, Fische und Menschen zu erhalten.

Es ist ermutigend, dass Flüssen Raum gegeben wird. Das lässt sich weiterdenken. Die europäischen Gesellschaften mit ihren ständig wachsenden Normierungen sind, wie die Flüsse, an einem Punkt angelangt, an dem, um im Bilde zu bleiben, zunehmend öfter Hochwasser eintritt. Auch gesellschaftlich ist Freiraum nötig in dem sich Lösungen der selbst erzeugten Probleme entwickeln können. Nimmt man die Effektivität des Hochwasserschutzes als Metapher, so lohnt es sich den Flüssen, besonders dort wo sie noch jung sind, Raum zu geben.

Schule kann ein Ort sein, wo Räume eröffnet werden. Gegenwärtig steht die Schule jedoch unter zunehmendem Druck, immer noch mehr Stoffinhalt immer schneller durch immer engere Kanäle pressen zu müssen. Dies bewirkt, dass selbstständiges und auch gemeinsames Denken und Handeln, wenig Räume findet, dass es nicht mehr zwischen Möglichkeiten mäandern kann, auf der Suche nach Dingen, die uns etwas bedeuten, so wie ein Fluss, der sich sein eigenes Bett gräbt. In Kanälen mag es Vieles geben - aber Leben wenig und auch wenig Fähigkeiten, auf die es ankommt, Zutrauen, Verantwortung, Teilhabe, Respekt...

Kunst und insbesondere die Kunst der Gegenwart beschäftigt sich mit dem Öffnen von Räumen. Künstler sind darin geübt Perspektiven zu wechseln und zu erkunden, wie solche Räume entstehen und welche äußere Form innere Freiheit verstärkt. Das Alter von Schülerinnen und Schüler ist dem der Bäche noch nahe den Quellen verwandt, wo das Mäandern besonders nachhaltig wirkt. Das spricht dafür, Künstlerinnen und Künstler solche freien Räume gerade auch in Schulen initiieren und begleiten zu lassen. Damit die Erfahrung und die Lebensfreude zunimmt, die aus dem Selber-Fühlen, Selber-Denken und Selber-Handeln wächst und aus der Entdeckung, dass diese Freiräume gemeinsame sind.