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Fachtagung Schulkunst

Auswertung Expertentag

3 - Neue Qualitäten

Themenpatenschaft: Prof. Pablo Molestina, Architekt, FH Düsseldorf

Ausgangspunkte:
Die Zusammenarbeit von Kindern und Experten ist Basis für Neues.
Ergebnisoffene Prozesse führen bei stimmiger formaler Struktur zu innovativen Lösungen von hoher Qualität.
Klischees so lange ernst nehmen bis Weiterführendes entsteht

Fachkommentatoren:
Prof. Johannes Schilling, Architekt, FH Münster
Dr. Angelika Tischer, Berliner Senatsverwaltung

Teilnehmer:
Prof. Pablo Molestina, Architekt, FH Düsseldorf
Michael Jordan, Schüler Klasse Smeets, Alfred-Herrhausen-Schule
Florian Kreutz, Schüler Klasse Smeets, Alfred-Herrhausen-Schule
Gabriele Richter, Architektin, Vorstandsmitglied Architektenkammer NRW
Prof. Johannes Schilling, Architekt, FH Münster
Olaf Schmiemann, stellv. Schulleiter Heinrich-Herz-Berufskolleg (HHBK)
Elena Tzintala, Studentin Architektur, FH Düsseldorf
David Hülsmann, Student Architektur, FH Düsseldorf
Jörg Gehlen, Konrektor Alfred-Herrhausen-Schule

Themenübersicht:
- Gute Schulkultur als Schutz vor Vandalismus
- Begleitung der Schüler
- Flexibilität der Räume
- Balance Zweckbau und Nutzbau
- Erarbeitung von Gelingensbedingungen für erfolgreiche Partizipationsprozesse

Einleitend berichtet Gabriele Richter von einem Kunstprojekt an einer Schule, die von den Schülern als hässlich empfunden wurde; die Schüler haben dort ein Farbkonzept entwickelt.
Nach vielen Jahren zurückblickend besteht das Farbkonzept immer noch ohne jegliche Beschmierungen, obwohl die gestaltenden Schüler von denen es stammte die Schule schon seit vielen Jahren verlassen haben. Es ist also zu beobachten, dass der Zusammenhalt für ein gemeinsames Ziel von den Schülern über Generationen weitergegeben wird. Wenn von Seiten der Schüler mitgestaltet wird, gehen diese auch anders mit dem Ergebnis um, haben Respekt davor und der Wohlfühleffekt tritt ein.

Fragt man die Schüler, wie sie sich Schule besser vorstellen, werden oftmals nur wenige oder unwesentliche Änderungswünsche genannt. Dies liegt nach Ansicht der Teilnehmer daran, dass das Thema der baulichen Umgebung sehr abstrakt für Schüler ist und dass sie aufgrund fehlender Kenntnisse über andere Arten der Schulnutzung nicht in der Lage sind, die gegebene Situation in Frage zu stellen.
Die Gruppe ist sich einig, dass Schüler eine Begleitung benötigen, welche einschätzen und erklären kann, wo direkte Partizipation sinnvoll ist. um Enttäuschungen vorzubeugen.

“Man muss schauen, wo eine Partizipationsmöglichkeit da ist. Ich darf Schüler nicht hinsetzen und sagen, mach mal, denk dir was aus und dann sagen, das geht nicht. Ich muss mir die Arbeit machen zu erklären, warum das nicht geht. Was wir festgestellt haben ist, wenn man kommuniziert, warum das nicht geht und sagt aber vielleicht geht das so herum, dann ist auch das Verständnis ein anderes. Schlecht find ich immer zu sagen, das geht nicht. Punkt.“ – Gabriele Richter

Bei der Planung einer Schule handelt sich um einen mehrstufigen Prozess und man muss auf viele verschiedene Seiten eingehen um eine allgemeine Zufriedenstellung zu erreichen. Da sind die Stadt als Träger, die Schulleitung, aber auch die Lehrer, Schüler und Eltern, um nur ein paar Beispiele zu nennen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, in welcher Phase des Bauprozesses Partizipation stattfinden kann.

“Begleitung ist wichtig; das man sich im Vorfeld Gedanken darüber macht, wo Schüler Impulse geben können die am Ende gesehen werden; wo es Bereiche gibt, die Schüler wirklich entscheiden können, wo sie am Ende eine 1:1 Kopie (ihrer Gestaltungen) sehen können und wo es Bereiche gibt, wo man Schüler und Schülerinnen gar nicht dran lassen sollte, weil es nur zu Enttäuschungen führen kann.“ – Olaf Schmiemann

Unter Lehrern wird ein Änderungswunsch besonders oft genannt. Sie wünschen sich flexible Räume, um einen erfolgreichen Unterricht gestalten zu können. Schule sollte lebhafter gestaltet werden und eine flexible Raumnutzung für bestimmte Bereiche könnte dies unterstützen. Allerdings sollte die klassische Auditoriums-Situation auch nicht gänzlich aufgegeben werden, da sie in gewissen Situationen auch ihre Qualitäten hat und den Schülern den Input geben kann, den sie benötigen.

Der Aspekt der Nachhaltigkeit von Schulen spielt heutzutage eine große Rolle. Die pädagogischen Aspekte ändern sich und Schulen die vor dem 19. Jahrhundert gebaut worden sind, sind aktuell nicht nachhaltig. Die Zweckmäßigkeit ist primär, aber daneben können auch andere Qualitäten entstehen. Es sollte auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Schulen außerhalb der regulären Schulzeiten für andere Programme nutzbar sind.

„Wir haben gelernt: 'Schule und Pädagogik verändern sich. Und darum müssen auch Räume veränderbar sein.’“ – Olaf Schmiemann

In einigen Modellen der Vergangenheit, bei denen alle Beteiligten einbezogen wurden, ist zwar ein präzise gedachtes Schema entstanden, jedoch ist es nach vielen Jahren nicht mehr aktuell und entspricht auch nicht den Bedürfnissen der Schüler. Spielräume in der Planung sind also unabdingbar und die Kommunikation der Nutzer muss von Anfang an mitgedacht werden.

Pablo Molestina sieht hier eine Spannung zwischen dem von Architekten erstellten, partizipatorisch gedachten Zweckbau einerseits und der späteren jahrzehntelangen Nutzung andererseits. Irgendwo zwischen „hochsensiblem Instrument“ und „Halle“ müsste eine Balance aus Zweckbau und Nutzbau gefunden werden, welche Spielräume ermöglicht und Aktualität auch in Zukunft gewährleistet.

„Man darf niemandem so 100%ig entsprechen, dass man damit Interpretationsfreiräume schließt.“ – Pablo Molestina

Man einigt sich darauf, dass metaphorisch gesprochen kein Maßanzug die Lösung ist, sondern dass man die Hose eher leger wählen sollte, dann passt sie länger.
„Es gibt die engen Jeans, die nur in dem Moment wirklich passen und gut aussehen, wo man sie kauft und es gibt die 'slacky Jeans', die immer ein bisschen komisch aussehen, aber dafür auch immer passen.“ – Pablo Molestina

In der Nachmittags-Session wurden in Zweiergruppen zusammen mit dem Thementisch "Kunst verändert Schule" Gelingensbedingungen für funktionierende Partizipationsprozesse gesammelt und anschließend der ganzen Tischgruppe vorgestellt. Im Folgenden eine Auswahl aus den gemeinsam erarbeiteten

Gelingensbedingungen:

In der Nachmittags-Session wurden in Zweiergruppen zusammen mit dem Thementisch "Neue Qualitäten" Gelingensbedingungen für funktionierende Partizipationsprozesse gesammelt und vorgestellt. Im Folgenden eine Auswahl der gemeinsam erarbeiteten Gelingensbedingungen:
Brigitte Schorn und Margarete Schweizer:
- Das Wichtigste sind die zeitlichen und finanziellen Ressourcen. Es muss ein Budget geben, mit dem man etwas umsetzen kann.
- Projekte sollten in Schulen strukturell verankert und integriert sein.
- Es muss eine Schulkultur entstehen, die alles umfasst, in der alle das Projekt gemeinsam angehen und gemeinsam lernen; von den Schülern über Künstler und Architekten bis hin zur Schulleitung und den Schulträgern.
- Fortbildungen sollten angeboten werden, in denen Lehrer Kunstprojekte verstehen und erfahren, was ein künstlerischer Prozess ist. Auf der anderen Seite sollten die Künstler das Schulsystem verstehen und sich darauf einlassen.
- Es braucht jemanden der das Ganze zusammenhält und moderierende Tätigkeit übernimmt.

Irmela Specht und Angelika Tischer:
- Wertschätzende Kommunikation auf Augenhöhe ist unser Hauptpunkt. Kernkompetenzen der verschiedenen Professionen sollten Anerkennung finden.
- Die Beteiligten sollten das Projekt wirklich wollen und dabei Spaß haben
- Es braucht einen überzeugten Sponsor, der/die etwas zu sagen hat. Wobei es weniger um die Finanzierung der Projekte als vielmehr um den Rückhalt bei einem maßgeblichen Entscheidungsträger geht.
- Die Beteiligten sollten das Projekt wirklich wollen und dabei Spaß haben / Keiner sollte sich in den Mittelpunkt stellen wollen / jede Seite nimmt sich zurück und hört zu. (Selbstverliebtheit und Eigeninteressen einzelner kann Projekte killen)
- Ein 'dritter Raum’ in dem die Regeln des 'Ersten' und 'Zweiten' nicht gelten, aber verhandelt werden können
- Klarheit über die gemeinsamen Ziele
- Arbeiten mit zieloffenem Fokus
- Zeit und Raum für Reflexion und Prozessbegleitung

Christel Wester und Pablo Molestina:
- Entscheidend für das Gelingen eines Projektes sind strukturelle, insbesondere zeitliche Freiräume. Christel Wester veranschaulicht dies: „Als Schüler/in nehme ich an einem Kunstprojekt teil; das ist ein gesellschaftliches Engagement an der Schule. Das Problem ist, ich muss später Zuhause Unterrichtsstoff nacharbeiten, ich habe folglich eine gewisse Leistung nicht erbringen können, weil ich es alleine zeitlich nicht geschafft habe.“
- Sehr früher Austausch unter allen Beteiligten / Prioritäten werden offengelegt und besprochen.
- Es gilt, die ’Ästhetik des Machbaren' finden.
- Unterstützung durch die Schulleitung
- Grundsätzliche Offenheit und Motivation im Kollegium
- Sinnlich denken
- Rahmenfinanzierung

Roland Schild und Karin Langhoop:
- Nachhaltigkeit des Engagements ist unser Motto. Bei einem so umfangreichen Projekt ist es entscheidend, dass man durchhält. Frau Reeh ist dafür das beste Beispiel; wie sie mit Verbissenheit dran blieb Geldern hinterherzulaufen und alle Beteiligten anstieß weiter zu machen.
- Verschiedene vertraglich abgesicherte Spielräume, sowie Geduld und Respekt, sind für uns genauso wichtig wie die Improvisationsfähigkeit der Entscheidungsträger.

Otto Seydel und Vera-Lisa Schneider:
- Eine Vision, ein Bild eines anderen Raumes, Ortes, einer anderen Gestalt […] Eine Vision die nur schemenhaft ist; Aber das muss sehr stark sein. Ich hab die Vorstellung, dass da was Neues entstehen kann sowie auch, dass der Prozess die Kraft haben wird dieses zu erreichen.
- (Externe oder interne) Moderation: "Bei diesem hochsensiblen Prozess der Begegnung von Lehrern und Künstlern sollte es im Idealfall eine moderierende Rolle geben, von wem auch immer, weil der Konflikt unvermeidlich ist. Das kracht im Karton weil die inneren Systeme diametral verschieden sind."
- Wechselseitige Kenntnis und Respekt der Professionen: "Man muss (als Pädagoge) eine Ahnung davon haben, was der Architekt tut und der Architekt muss eine Ahnung davon haben, was der Pädagoge tut."

Protokoll: Elena Tzintala, Studentin Architektur, FH Düsseldorf; Bearbeitung: Muriel McCalla und Thomas Düssel