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Fachtagung Schulkunst

Auswertung Expertentag

4 - Kunst am Bau

Themenpatenschaft Dr. Gregor Jansen – künstlerischer Leiter der Kunsthalle Düsseldorf

Ausgangspunkte:
Schulkunst als zeitgenössische Fortentwicklung von Kunst am Bau
Auswahl der Künstler und Architekten: Netzwerk oder Kunstkommission?
Wie lassen sich Prozesse als Bildungsentwicklung auf der politischen Ebene verankern?

Fachkommentatoren:
Heinz Schütz, Quivid, München
Andrea von Lüdinghausen – Künstlerin, Hannover

Teilnehmer:
Markus Ambach, Künstler
Dr. Anka Beer, Schlossgymnasium Benrath
Caroline Berns, Realschule Benrath
Tristan Bodewein, Schüler Klasse Smeets, Alfred-Herrhausen-Schule
Jennifer Hendele, Schülerin Klasse Smeets, Alfred-Herrhausen-Schule
Dr. Gregor Jansen, Kunsthalle Düsseldorf
Heidrum Köhnen-Volkmann, Schulministerium NRW
Andrea von Lüdinghausen, Künstlerin, Hannover
Andrea Salgert, Architektin, Düsseldorf
Dr. Heinz Schütz, Quivid, München
Renate Ulrich, Kunst am Bau NRW

Themenübersicht:
- Integration von Schulkunstprojekten in den Schulalltag
- Kunst am Bau – vom Kunstwerk zum Kunstprozess
- Schulkunst als interdisziplinärer Ansatz
- Auswahl der Künstler und Architekten
- Kommunikation der Projektpartner
- Verankerung auf kommunaler Ebene

Auf der einen Seite skeptisch auf der anderen sehr interessiert und beeindruckt von den vorhergehenden Erzählungen bei der Begrüßung durch Ute Reeh liegt das größte Interesse des Tischs zunächst bei den beiden anwesenden Schülern der Alfred-Herrhausen-Schule.
Jennifer und Tristan erzählen von den bisherigen Projekten und schildern ihre positiven Eindrücke, die sie bei der Umsetzung der Projekte mitgenommen haben. Sie berichten von der freiwilligen Mit- und Mehrarbeit einiger Schüler am Nachmittag und davon, dass andere Klassen gerne an ihrer Stelle gewesen wären. Sie betonen die gute Zusammenarbeit mit der Künstlerin Ute Reeh und sagen, dass sie auf die Wünsche der Schüler sehr gut eingegangen sei.
Die Schüler erläutern das Terrassenprojekt ausführlich, wie sie Vorschläge gesammelt haben, sich davon einen ausgesucht haben, im Anschluss Modelle gebaut haben, Fliesen aussuchen durften und an Form und Gestaltung beteiligt waren. Besonders wichtig in diesem Projekt war ihnen, den Baum mit einzubeziehen um den herum die Terrasse gebaut werden sollte.

In der Gesprächsrunde kommen Fragen auf, zum Beispiel ob sich die Schüler immer einig waren und ob es schlimm wäre, wenn ein utopischer Wunsch für ein Projekt wie zum Beispiel einen Swimmingpool zu bauen nicht zustande käme – für die Schüler stellt dies aber anscheinend kein Problem dar. Eines der Hauptprobleme, die der Tisch bei der Verwirklichung solcher Projekte sieht, ist die Finanzierung. Die haben die Schüler selbst in die Hand genommen. Sie erzählen stolz, dass sie durch Vorträge, z.B. vor Vertretern des „Lionsclub“ Geld gesammelt haben.

Die Tischgruppe diskutiert, wie Schulkunstprojekte in den Schulalltag zu integrieren sind und ob solche Projekte fest in den Stundenplan integriert werden sollten oder besser auf freiwilliger Basis funktionieren. Einerseits ist bei freiwilligen Teilnehmern eine höhere Motivation, gerade zu Beginn eines Projektes, zu erwarten.

"Wir haben Klassen von 30 Kindern, nicht 13. Ich denke, das ist schwierig. Da muss man diejenigen ansprechen, die da auch was mitmachen wollen, die auch begabt sind und sich dafür interessieren… Ansonsten drückt man denen da was auf’s Auge." — Caroline Berns

Andererseits, so findet Markus Ambach, sei es auch wichtig, die Kinder und Jugendlichen mit solchen Gestaltungsprozessen zu konfrontieren die ihre direkte Lebensumwelt betreffen.
„Ich finde das Freiwilligensystem gar nicht so gut. Es geht natürlich auch darum, dass das nicht als Nebending läuft, sondern, dass man das anerkennt und dass der Eingriff von Kunst, Architektur und Gestaltung als lebensstrukturierende Geschichte einen ernsthaften Stellenwert hat, mit dem man sich im normalen Unterricht beschäftigen muss und kann. Ute sucht die Künstler auch so aus, dass diese das nicht als Nebengeschichte machen, sondern als ihren zentralen Arbeitsschwerpunkt betrachten.
[…] Dazu gehört auch, dass man Schüler, die das nicht unbedingt freiwillig machen, damit in Konfrontation bringt, weil es gerade für die wichtig ist zu lernen, dass solche Gestaltungsprozesse, wenn so ein Gebäude entsteht, sie tatsächlich betreffen. Es ist auch ein ganz wichtiger Moment, der bedingt, wie die Wahrnehmung von Künstlern in der Gesellschaft ist. Kinder lernen Kunst und Künstler auf einer ganz anderen Ebene kennen.“ – Markus Ambach

Die Projekte am Gymnasium und an der Förderschule werden verglichen. Wie soll man unter den gegebenen Bedingungen mit Zentralabitur, G8 und strengem Zeitmanagement an Gymnasien ein solches Projekt unterbringen? Die Zeit ist gering, das Problem, das daraus resultiert, ist aber kein geringes. Zwei bis drei Monate benötigten die Schüler an der Alfred-Herrhausen-Schule für die Planung der Terrasse, erläutern sie. Weitere zwei Jahre brauchte die Feinplanung, die Aquise der Mittel und die Realisation

Das Gebäude Schule ist Umfeld und Lebensraum für Schüler und Lehrer. Um sich darin wohlzufühlen wünschen sich viele die Kargheit der Betonmauern weg. Eine Umgestaltung durch eigene Hand wird von den Menschen an der Schule weniger als Fremdkörper empfunden, als wenn dies ein ihnen unbekannter Architekt macht. Die Lehrer am Tisch befürworten eine solche Art von Projekten, äußern aber auch gleichzeitig den Wunsch nach Planung und Klarheit sowie nach genauen Absprachen mit dem Künstler und der Verwaltung. Im Nachhinein solle es eine Ausstellung oder einen Film geben, sodass vor allem die Schüler das Projekt und den Prozess nachvollziehen können.
Viele andere Bereiche werden an den Schulen als wichtiger erachtet. Eine Verbesserung der Situation könnte durch die feste Verankerung von Geld und Zeit, die den Schulen für solche Projekte zur Verfügung gestellt werden erreicht werden.

Mittel für Kunst am Bau sind eine Möglichkeit zur Finanzierung. Üblicherweise werden im Rahmen von Kunst am Bau 1-2 Prozent der Bausumme in ein Kunstwerk investiert, welches dann in der Schule (oder einem anderen öffentlichen Gebäude) angebracht wird. Die zentrale Frage an diesem Thementisch ist, wie Kunst am Bau anders funktionieren kann und statt in vom Künstler fertig angelieferte Kunstwerke in partizipatorische von Künstlern begleitete Prozesse investiert werden kann.

„Im Grunde geht es um die Definition, was Kunst ist. Und was Kunst ist definieren die Künstler. Und nicht der Verwaltungsrat. Prozesse sind auch Kunst.“ – Heinz Schütz

„Man kann Umwidmungen machen. Wir haben es zum Beispiel geschafft eine Vortragsreihe über fünf Jahre als Kunst am Bau zu verkaufen und das meine ich mit Aufweiten der Grenzen. Üblicherweise haben wir da ein Kunstwerk, das hängt in der Schule und das ist ein fester Wert im Schulhaus, das Geld verschwindet nicht. Aber bei der Vortragsreihe sagen die dann, was bleibt uns davon? Wir haben uns darauf geeinigt, dass man eine Doku-CD macht, die einen Wert hat und das geht.“ – Markus Ambach

Das erste Ziel von Projekten dürfen aber nicht irgendwelche Publikationen sein, wie es in der Vergangenheit bei anderen Projekten schon der Fall war. Schulkunstprojekte müssten eine Dauerhaftigkeit haben und sich immer weiterentwickeln können.

Mittel für Kunst am Bau stehen nur jeweils einmal zur Verfügung. Das Gebäude soll sich aber weiter verändern, entwickeln, einen Prozess durchleben und zwar über mehrere Generationen von Klassen und Lehrern hinweg.

Andrea Salgert meint, dass Räume offen gestaltet werden sollten, so dass nachfolgende Generationen weitermachen können.

Markus Ambach ist der Ansicht, dass das „Weitergeben“ und die „Übergabe“ ein wichtiger Moment für die Schüler ist und dass sie dabei auch eine große Verantwortung mit weitergeben.

Als Gregor Jansen nachfragt, bestätigen die Schüler, dass sie es nicht schlimm fänden, wenn ihre Terrasse von der nächsten Schülergeneration weiter gestaltet werden würde.

Die Frage stellt sich wo hier der Künstler steht? Gregor Jansen vermutet:
„Man muss für diese Projekte Künstler suchen, die eher Sozialarbeiter sind, sag ich mal, oder Architekten, die eher Pädagogen sind, das ist genau die Krux. Der Künstler oder Architekt muss sich extrem zurücknehmen.“ – Gregor Jansen

Auf keinen Fall geht hier das künstlerische Interesse verloren, denn dieses liegt in dem Fall im Kontext der Zusammenarbeit und ist eher am Prozess und nicht am Produkt orientiert.

Das Gebäude solle an die Schüler vermittelt werden durch interdisziplinäre Diskussionen. Es gilt einen schulinternen Treffpunkt oder ein Gremium zu schaffen, in dem so etwas diskutiert werden kann. Guter Wille ist von ganz vielen Seiten spürbar, nur scheitert es oft an einfachen Dingen. Man ist gebunden an Verwaltungsmechanismen. Wie ist es möglich so eine Arbeit immer wieder neu ins Bewusstsein zu bringen?

Die Kunst ist es nicht, die hier einen Strich durch die Rechnung zieht. Sie nimmt die Produktorientiertheit und den bezifferbaren Wert nicht als ausschlaggebendes Kriterium wie es die Verwaltungsapparate tun sondern gibt sich in dem „performativen, sozialpolitischen Ästhetikprojekt“ (Gregor Jansen) als prozessorientiert und lernfreudig.
Schüler lernen soziales Miteinander, kommunikatives Entscheidungsfinden, realen Lebensraum schaffen, Ästhetik durch und mit Farben und Material. Das entfernt sich laut Gregor Jansen von der Kunst und hat dann eher eine Bedeutung in einem sozialen und kreativen Prozedere.

„Wir sind auch in der Kunst mittlerweile so weit, den Prozess-Charakter als etwas sehr wesentliches zu begreifen. In diesem Sinne wäre das Schulkunst-Projekt somit ein performatives, sozialpolitisches Ästhetik-Projekt.“ — Gregor Jansen

Die größte Gefahr für solche Projekte sieht man am Tisch allerdings in einem „Sich-tot-laufen“. Durch verschiedene Instanzen werden bei der Planung immer wieder Steine in den Weg gelegt, mal sind die Eltern der Schüler das Problem, mal die Schulverwaltung, mal ein akutes Lehrerproblem und manchmal auch der Architekt. Markus Ambach empfiehlt vorausschauend zu planen und auf direkter Ebene zu kommunizieren und „auf Handlungsebene handeln“.
Es sind sich alle einig, irgendwie müsste man es auf kommunaler Ebene verankern, dass solche kleinen Probleme und einzelne Personen ein Projekt nicht direkt stoppen.

Im Plenum wird festgestellt, dass sich etliche Überschneidungen bei den Gruppen „Kunst am Bau“ und „Kooperation mit der Verwaltung“ ergeben haben, weshalb sich die beiden Gruppen entscheiden im zweiten Teil zusammenzuarbeiten.

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Nachmittag, gemeinsam mit Tisch 6 "Kooperation mit der Verwaltung"
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Nachdem am Vormittag die Sichtweisen der Künstler und der Verwaltung näher beleuchtet wurden und daraus hervorging, dass ein grundlegender Unterschied zwischen den beiden Parteien darin besteht, dass die Künstler ohne Rahmen und Grenzen denken, die Verwaltung aber innerhalb eines Rahmens handelt, spricht Markus Ambach zu Beginn der Nachmittagsrunde von der Aufgabe des Künstlers, im Interesse des Projekts eben genannten Rahmen der Verwaltung zu dehnen oder gar zu sprengen.
Er unterscheidet zwischen einer Handlungs- und einer Verwaltungsebene. Diese beiden Ebenen existieren nebeneinander. Auf der Handlungsebene ist es möglich, ohne die Verwaltung zu handeln, man könnte es auch „ein freundliches Unterwandern“ mit der Möglichkeit „die Spielräume zu dehnen“ nennen. Dabei könnten die ersten Schritte zur Erweiterung der verwalterischen Grenzen gemacht werden. Auf keinen Fall dürfte man sich von bürokratischen Dingen bremsen lassen, so Ambach.

„Wenn man Änderungen auf der Verwaltungsebene herbeiführen will, muss man nicht auf sie warten. Man kann vor Ort aktuell handeln.“ – Markus Ambach

Stefan Greß merkt an, dass die Spielräume auf verwalterischer Ebene bereits relativ großzügig und empfänglich für Projekte wie die von Ute Reeh seien, wohingegen Johannes Schuhmacher aus Bremen das nicht behaupten konnte und sich das für sein Land auch wünscht. Die Lage ist also in den Ländern unterschiedlich.

In diesem Zusammenhang wird auch der Begriff der Subversion genannt. Hanswalter Graf spricht von einer gemäßigten Subversion als erfolgreichem Modell, bei dem die Kunst über einen längeren Zeitraum langsam, fast unbemerkt Veränderungen auch in der Verwaltung erzielt.

„Die Dosierungen der Kunst müssen ganz homöopathisch sein.“ – Hanswalther Graf

Stefan Greß merkt an, dass bei neuen sog. „offenen Prozessen“ nicht nur die Denkweise der Verwaltung (im ersten Gespräch erläutert) ein Hindernis darstellt, sondern oftmals auch die „Unfähigkeit“ der Künstler sich innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen zu verändern und anzupassen. Weiter führt er aus, dass es schon einen Schritt vorher Aufgabe der Künstler wäre, die Prozesse, die zu Beginn noch ohne Bilder und für die Verwaltung schwer greifbar sind, anschaulicher und nachvollziehbarer darzustellen, die Vorteile herunterzubrechen und eine Verständlichkeit zu gewährleisten.

Grundlage einer Begegnung ist Wertschätzung und Anerkennung der Fähigkeiten des Anderen, welche ein Kommunizieren auf Augenhöhe ermöglichen. Der Künstler darf mit seinem Vorhaben nicht als Störfaktor im Ablauf empfunden werden, der Verwalter nicht als bloßer Dienstleister betrachtet werden.

Grundsätzlich wird sich in dieser Runde dafür ausgesprochen, alle beteiligten Personen und Gruppen von Anfang an am Projekt teilhaben zu lassen. Beim Künstler z.B. hat es den Vorteil, dass dieser einen Kunstprozess im Gebäude initiieren kann und am Ende nicht nur ein Kunstwerk als bloße Dekoration übrig bleibt. Bei den Schülern hat es den Vorteil, dass nicht an ihren Bedürfnissen vorbeigeplant wird und dass während des Projekts natürlich auch Lernprozesse stattfinden.
Alle Bemühungen heute werden, wenn sie erfolgreich sind, als Referenzbeispiele künftigen Kunstprojekten den Weg erleichtern.

„Ich glaube der wichtigste Punkt ist, dass es uns gelingt in den nächsten 5 bis 10 Jahren den Grundgedanken in eine Gesamtstruktur einzubinden. Das verlangt, dass Menschen da sind, die den Kunstgedanken verstehen und vernünftig einbringen können. Wenn uns die Frau Reeh in den nächsten 5 bis 10 Jahren erhalten bleibt, dann werden die nächsten Prozesse vielleicht viel besser laufen, weil man ihre Projekte als Referenzprojekte nehmen kann und daraus lernen kann.“ – Gregor Nachtwey

Gegen Ende der Nachmittagsrunde wird über die Rolle der Kunst im Schulkunstprojekt gesprochen. Ute Reeh erklärt, wo sie die besonderen Kompetenzen der KünstlerInnen in Schulkunstprojekten und in der Schulentwicklung im Allgemeinen sieht:

„Zum einen gehöre ich weder zu den Pädagogen noch habe ich ein Konzept über Unterricht im Kopf sondern ich stehe ganz außen und begleite. Zum anderen bin ich Spezialistin, wenn es irgendwo besonders schwierig und problematisch wird. Das ist meine Herausforderung und meine Berechtigung. Da wird’s für mich erst spannend.“ – Ute Reeh

Im Kommentar zur Nachmittagsdiskussion spricht Herr Chiquet über die besondere Befähigung von bildenden Künstlern im Gegensatz zu Architekten oder anderen außerschulischen Kooperationspartnern für Schulentwicklungs-Projekte:

„…dass Künstler und Künstlerinnen eigentlich Fachleute sind für die Einleitung von Veränderungen in unwahrscheinlichen Situationen. Sie tun dies mit einem ästhetisch formal geschulten Blick für Bilder und Situationen die sichtbar werden und die auch etwas Bleibendes hinterlassen, Spuren hinterlassen.“ – Bernhard Chiquet

Protokoll: Nicole Roos, Studentin Bildhauerei und Lehramt, Kunstakademie Düsseldorf; Bearbeitung: Muriel McCalla und Thomas Düssel