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Fachtagung Schulkunst

Auswertung Expertentag

5 - Schule als Territorium

Themenpatenschaft: Frauke Burgdorff, Montag Stiftung Urbane Räume

Schule als Territorium – künstlerisch, sozial, architektonisch

Ausgangspunkte:
Wirkung künstlerischer Prozesse, gerade weil sie außerhalb der Strukturen von Schulterritorium und im System verankerter Macht stehen
Wo gehen Türen auf? Wie lassen sich schulische Strukturen öffnen und zu welchen nachhaltigen Veränderungen führt dies?
Überzeugen durch Machen und Qualität

Fachkommentare:
Irmela Specht, Lehrerin, Dieter-Forte-Gesamtschule
Tom Braun, Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ)

Teilnehmer:
Frauke Burgdorff, Montag Stiftung Urbane Räume, Bonn
Irmela Specht, Lehrerin, Dieter-Forte-Gesamtschule
Jo Meyer, Architekt
Dr. Angelika Tischer, Berliner Senatsverwaltung Bildung, Wissenschaft und Forschung
Prof. Dr. Johannes Bilstein, Kunstakademie Düsseldorf
Saskia Dreßen, Lehrerin, Geschwister-Scholl-Gymnasium
Lisa Pirch, Schülerin, Geschwister-Scholl-Gymnasium
Michael Leers, Schüler, Alfred-Herrhausen-Schule
Christel Wester, Journalistin

Themenübersicht:
- Definition von Territorium
- Territorialität an Schulen
- Raumgestaltung als politische und demokratische Aufgabe
- Machtstrukturen
- Multifunktionalität eines Raumes
- Territoriale Schnittmengen


Was ist ein Territorium? Frauke Burgdorff leitet das Gespräch ein und nennt die wesentlichen Eigenschaften eines Territoriums, Raumbeanspruchung und Herrschaft.
„Es gibt etwas wie eine neutrale Fläche, sobald jemand beansprucht Herrschaft über diese Fläche zu haben oder sagt, hier dürfen nur bestimmte Menschen rein, dann nennt man das Territorium. Territorien können Staaten haben, aber auch private Menschen, wie das Kinderzimmer.“ – Frauke Burgdorff

Jeder Mensch beansprucht seine eigenen und individuellen Territorien, in die er sich im Alltag zurück zieht und seine eigenen Regeln aufstellt. Die Gesprächsteilnehmer berichten von eigenen und privaten Erfahrungen mit Territorien. So kann beispielsweise das eigene Bett, wie Lisa Pirch beschreibt, ebenso als private Herrschaftszone angesehen werden, wie auch der eigene Computerdesktop, ein Sitzplatz im ICE genau so wie das familiäre Wohnzimmer.

Angelika Tischer weist dabei auf den ambivalenten Charakter eines Territoriums hin. Es ist einerseits ein Rückzugsort und zugleich auch Raum zur Öffnung. In diesem Sinne empfindet auch Christel Wester ihre eigene Küche als Territorium, als Ort zum geistigen sammeln einerseits, aber auch zum kommunizieren mit anderen. Frau Wester findet, dass Orte, die diesen Ansprüchen wenigstens zum Teil gerecht werden können, an Schulen meistens fehlen. Jo Meyer merkt an, dass es oft „Zwischenräume“ sind, die anfangs gar keine solche Funktion haben sollten, dann aber zu territorialen Räumen wurden.
„Ich brauche einen Rückzugsort, der eine Sicherheit und Struktur hat und zugleich etwas aufmacht. Und dieses Aufmachen muss in vielerlei Hinsicht offen sein, für Veränderung, um neue Strukturen zu schaffen, um Menschen kennen zu lernen, etwas Ambivalentes.“ – Angelika Tischer

Johannes Bilstein vertritt die Ansicht, dass ein Territorium klare Regeln braucht, um funktionieren zu können. „Abgrenzungen müssen klar sein, es muss klar sein, welches Spiel gespielt wird.“ – Johannes Bilstein

Aus den verschiedenen Standpunkten ergibt sich für Territorien auch das Potential zur Heimatbildung und zur Abgrenzung. Viele definieren sich sogar über territoriale Grenzen, weshalb ein sensibler Umgang beim Eingreifen in Territorien sehr wichtig ist.

Michael Leers berichtet von dem Terrassenprojekt an der Alfred-Herrhausen-Schule, welches nun tatsächlich umgesetzt werde. Er betont stolz, dass die Schüler alles selber entwickelt haben und er von der ersten Sekunde an dabei war. Die Interessen der Schüler stehen dabei im Vordergrund. Er begreift es als ein gemeinsames Eigenes.
Jo Meyer erzählt von den Schwierigkeiten bei der Umsetzung, die durch Geldmangel und Desinteresse auf Seiten der Politik und der Verwaltung aufgetreten sind. Anschließend stellt Michael Leers, zusammen mit Jo Meyer, das Modell der Terrasse, das von den Schülern gebaut wurde, vor.

Lisa Pirch berichtet von dem Projekt am Geschwister-Scholl-Gymnasium, welches ebenfalls Teile des Außengeländes der Schule gestalten wollte. Die Schüler übernahmen die Verantwortung für das Projekt und wurden von Ute Reeh unterstützt. Dabei gab es viel Frustration unter den Schülern, aufgrund großer Umsetzungsschwierigkeiten und Kommunikationsprobleme.

Daraufhin steht die Frage im Raum, ob es an Schulen eine Grundhierarchie geben muss, bei der die Lehrer bestimmen, wo die Schüler hindürfen oder ob es nicht auch Räume geben sollte, in denen es andersherum läuft. Schüler brauchen schließlich auch eine Privatsphäre, sei es eine Bank hinter einer Mauer oder der Oberstufenraum, sagt Saskia Dreßen.

Die Schüler der verschiedenen Schulen berichten am Beispiel des Lehrerzimmers, wie zugänglich ihnen dieser Raum erscheint. Michael Leers empfindet den Lehrerraum als für ihn offenstehenden Raum, Lisa Pirch dagegen würde ihn nicht ohne Bedenken betreten. Umgekehrt äußern sich auch Lehrer zu Schülerräumen.
„Ich finde es wichtig, dass die Lehrer auch die wenigen Schülerräume, die es gibt, respektieren.“ – Irmela Specht

Johannes Bilstein merkt an, dass es in diesem Zusammenhang eine große Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit gibt. Er erklärt dies am Beispiel eines Lehrerzimmers in welchem es offiziell keine festen Plätze gibt...
„Meine Erfahrung ist, dass gerade bei Räumen und Territorialität eine ganz große Kluft zwischen Ideologien und Wirklichkeit besteht. Alle sagen, es gibt kein Territorium, aber das da ist der Platz von Herrn Meyer.“ – Johannes Bilstein

Durch eine Ansiedelung des Schulkunstprojekts sowohl im Kunst-, als auch im Politikunterricht wird Raumgestaltung zu einer politischen und demokratischen Aufgabe. Es bildet auch einen Kontrast zum üblichen zielführenden Unterricht, denn hier weiß man im Voraus nicht, wie das Ende aussehen wird. Ein Schulkunstprojekt ist somit auch für Lehrer bzw. Pädagogen immer wieder eine neue Herausforderung.

„Bei gemeinsamen Räumen ist es wichtig, dass man Spielregeln hat, wie man Räume nutzt. Wir haben zum einen den künstlerischen Prozess und zum anderen ist es ein politischer Prozess geworden, das finde ich ganz spannend.“ – Frauke Burgdorff

Die Schüler versuchen in der Zusammenarbeit mit den Lehrern und der Schulleitung immer wieder Mittelwege zu finden und ihre Ziele dabei nicht aus den Augen zu verlieren. Dabei haben die Schüler, wie Lisa Pirch berichtet, erkannt, dass der Weg, Interessen durchzusetzen, kein leichter ist. Man erobert und erfindet neue Räume, muss sie gegen Autoritäten verteidigen, gelangt so aber auch zu Stolz und Selbstbewusstsein durch die Beteiligung am Prozess.

„Es geht um Dinge wie Konsensfindung. Wen muss ich einbeziehen? Zu wem muss ich gehen? Das sind alles Prozesse, die mit Politik zu tun haben.“ – Saskia Dreßen

Christel Wester bringt das Problem der Zeiträume, die das Projekt benötigt, in das Gespräch mit ein. Die Schüler stehen unter einer Doppelbelastung, da der reguläre Unterricht zu Hause nachgearbeitet werden muss. Die Zeiträume müssen genauso erkämpft und erobert werden, wie die realen Räume, erkennt Irmela Specht.
Die Lehrpläne beinhalten viele spezielle Themen, die abgearbeitet werden müssen und sind nicht nur kompetenzorientiert. Somit ist das Projekt, welches hingegen sehr stark kompetenzorientiert ist, nicht einfach in den Unterricht einzubinden. Lisa Pirch erzählt, dass sie zum Beispiel gelernt hat, dass man um die Durchsetzung der eigenen Interessen in einem solchen Rahmen kämpfen muss. Sie sagt auch, dass sie im vorgegebenen Politikunterricht nicht mehr gut mitkam, da sie durch das Projekt viel verpasst hat. Projektdenken steht im Kontrast zum Strukturdenken im regulären Unterricht.

Frauke Burgdorff fragt nach Machtstrukturen im Zusammenhang mit Territorien und dem Widerstand, auf den Ute Reeh an unterschiedlichen Schulen mit Schulkunstprojekten stößt. Die Teilnehmer der Gesprächsrunde bestätigen, dass ein Schulkunstprojekt erfahrungsgemäß an einer Förderschule besser angenommen wird, als beispielweise an einem Gymnasium.

Lisa Pirch vermutet, an einer Förderschule herrsche ein positives und starkes Gemeinschaftsgefühl, an ihrem Gymnasium hingegen sei die Haltung allgemein eine kritische und pessimistische gegenüber solchen neuen Projekten. Andererseits kann sie auch berichten, dass sie ihre Lehrer ganz anders, mehr als „Menschen“, wahrnehmen konnte, als sie im Zuge des Projektes auf annähernd gleicher Augenhöhe mit ihnen an einem Tisch saß.

Auch Michael Leers weist auf die strengere Stimmung am Gymnasium hin, welche er dort bei einem Treffen erfahren und als negativ empfunden hat. An der Förderschule werde einfach mehr Wert auf Zusammenarbeit gelegt.

Irmela Specht erklärt, es sei schwierig ein Schulkunstprojekt an einer Gesamtschule zu beginnen, da bereits viel Unruhe durch anderes Geschehen besteht. Auch die hohe Schülerzahl sei nicht die günstigste Voraussetzung.

Was die Machtfrage betrifft, gibt Frauke Burgdorff zu bedenken, dass Machtverhältnisse nicht immer eindeutig sind. Sie beschreibt das übliche Szenario, in welchem der Lehrer den Klassenraum betritt, die Stunde abhält, und danach möglichst zügig den Raum wieder verlässt, was sie fast wie ein Wegrennen vor den Schülern wahrnimmt.

Daraufhin entsteht eine recht angeregte Diskussion über das Lehrer-Raum-Prinzip. Wer soll zu wem kommen? Es zeigt sich im Gespräch, dass sowohl Lehrer, als auch Schüler ihren eigenen Raum haben wollen. Michael Leers ist der Meinung, dass die Lehrer zu den Schülern kommen müssen. Auch Lisa Pirch ist der Klassenraum sehr wichtig. Iris Hamers erzählt, dass sie den Klassenraum nach dem Übergang in die Oberstufe sehr vermisste, da ein fester Anlaufspunkt in der Schule fortan fehlte. Irmela Specht erzählt, dass sie es im Studium als Freiheit empfunden hat, dass sie selbstständig zu den Räumen gegangen ist.
Irmela Specht betont auch die Wichtigkeit der Gestaltung von Raum. Sie ist der Meinung, dass das Lehrer-Raum-Prinzip nur dann funktioniert, wenn die Schüler trotzdem noch eigenen Raum haben, der zu ihrer Gestaltung freigegeben ist. Trotzdem betont sie, dass sie es auch gut findet, wenn auch Lehrer ihre eigenen Räume gestalten können.
Jo Meyer geht noch einen Schritt weiter und betont, dass nicht nur die Gestaltung eines Raumes sondern vor allem auch dessen klare Zuordnung einen ganz eigenen Wert hat, dass offene multifunktionale Räume keine alleinige Lösung bieten, weil es dann keine „Orte“ mehr sind.

„Ein Raum ist ein Ort und einen Ort definieren wir durch die Handlungen, die dort stattfinden. Wenn aber an einem Ort alle möglichen Handlungen ausführbar sind, lässt sich der Ort als solcher nicht definieren.“ – Jo Meyer

Saskia Dreßen kommt noch mal zurück zu der problematischen Ausführung des Projekts am Gymnasium im Vergleich zu anderen Schulen und nennt in diesem Zusammenhang das Eigenbrötlertum. Das Gymnasium sieht sich als Elite und ist sehr auf Inhalt und Bildung ausgerichtet, was ihrer Meinung nach die Zusammenarbeit schwierig macht, auch im Lehrerkollegium, da viele einen Tunnelblick auf ihr Fach haben.
Frauke Burgdorff fragt, wie man ein Projekt daran anpassen könnte.
Wichtig sei die hundertprozentige Unterstützung der Schulleitung mit viel Einsatz und Durchsetzungsvermögen, sagt Saskia Dreßen.

Zum Ende des ersten Gesprächs bedankt sich Frauke Burgdorff bei den Teilnehmern, besonders bei Lisa Pirch und Michael Leers für ihre Offenheit. Sie betont ihre Wichtigkeit als Schüler für das Projekt und das Gespräch.

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Frauke Burgdorff regt zum Beginn der zweiten Gesprächsrunde zum Nachdenken darüber an, ob künstlerische Projekte etwas verbessern können, wenn man vorhandene Territorien mit ihren Schwachstellen betrachtet. Im folgenden Gespräch werden die unterschiedlichen Akteure im Raum Schule ihren jeweiligen Territorien zugeordnet.

Da ist zunächst einmal der Schulleiter, er beansprucht natürlich sein Büro, oft aber auch das Sekretariat als sein Territorium. Auch die Lage dieser Räumlichkeiten ist interessant, so ist z.B. das Schulleiterbüro architektonisch oft an einer alles überblickenden Position gelegen. Der Führungsstil einer jeden Schule, der immer irgendwie unterschiedlich ist, zeichnet sich laut Gregor Nachtwey nicht selten schon an dieser Stelle ab.

Als ein weiteres Beispiel für den Einfluss der Architektur auf die sozialen Strukturen nennt er das neue gläserne Lehrerzimmer am Cäcilien-Gymnasium in Oberkassel, welches ein Miteinander von Lehrern und Schülern ausdrückt. Es fehlt aber eine Art Schutzraum für die Lehrer.

Tom Braun stellt dazu die Frage, in wie weit eine vorgefundene Raumsituation bespielbar ist. Die Schulleitung, die aus mehreren Personen besteht, hat mit ihren Räumlichkeiten die Möglichkeit, sich verschieden auszudrücken, nämlich transparent, herrschaftlich, kooperativ, funktional oder privat. Damit repräsentiert die Schule. Lage und Gestaltung ihrer Räumlichkeiten sind zugleich Vorraussetzung und Beleg für einen bestimmten Führungsstil, für eine gewisse Kontrolle, einen Überblick oder einfach für ruhiges Arbeiten. Außerdem hat die Schulleitung oft noch einen Lieblingsbereich, wie die Aula, die Mensa oder auch den Schulhof.

Frauke Burgdorff leitet über zu den Territorien der Schüler und bittet zu beachten, dass immer, wenn man in ein Territorium eindringt und es bestimmen will, man der Person, die es vorher kontrolliert hat, etwas weg nimmt. Das erfordert eine Öffnung und es stellt sich die Frage, wie man sensibel einen solchen Öffnungsprozess vollzieht.

Die Territorien der Schüler sind der Klassenraum, als einer Art Heimat mit der Möglichkeit der Abgrenzung für die Gruppe. Außerdem ist es der Schulhof, sowie auch individuelle Lieblingsorte wie z.B. Nischen im Flur, Bänke, etc… Es wird die Frage gestellt, was den Klassenraum ausmacht. Lisa Pirch sagt, dass der Klassenraum ein Ort ist, den man jeden Tag antrifft. Möglichkeiten zur Gestaltung durch die Schüler sind aber oft nicht gegeben, bzw. verboten. Der Klassenraum definiert trotzdem in gewisser Hinsicht den Charakter der Gruppe. Auch ohne das der Raum besonders gestaltet ist, merkt man beim Eintreten, wenn man fremd ist. Heimat wird verteidigt.

Frauke Burgdorff berichtet von transparenten Klassenräumen, bei denen die Hemmschwelle, in einen fremden Raum einzutreten, nicht mehr so groß ist. Tom Braun, meint, dass man transparente Klassenräume zwar als offen und freundlich betrachten kann, man kann aber bei einer eher autoritär gestalteten Schule auch das Gefühl gewinnen, dass die Kontrolle und die Machtausübung noch verstärkt wird, auch für die Lehrer.

Gregor Nachtwey bemerkt, dass man Grenzen an der Tür zur Klasse, an der eigenen Stufe oder auch an der Schule ziehen kann und je weiter diese Grenzen sind, desto höher ist der Sozialisierungsgrad. Frauke Burgdorff weist auf die Kernfrage hin, was es braucht, um Heimat zu bilden und wann fiese territoriale Abgrenzung anfängt.
Im weiteren Verlauf wird überlegt, wie man den Druck, der während einer Unterrichtsstunde im Klassenraum entsteht, ein Stück weit wegnehmen kann, ob die Stimmung durch offenere Raumarchitektur gelockert werden kann.

Es entstehen territoriale Schnittmengen, z.B. beim Unterrichtsraum, der sowohl von Schülern als auch von Lehrern beansprucht wird. Dabei kommen Probleme auf, wenn die Regeln nicht klar ausgehandelt sind. Außerdem wird angesprochen und diskutiert, dass sich die Gespräche zwischen Schülern und Lehrern je nach Raum (Klassenraum, Flur) verändern.

Der Klassenraum wird mit Eintritt des Lehrers zum Unterrichtsraum, der Lehrer steht auf der Bühne. Man kommt zu der Erkenntnis das Räume oft durch Multifunktionalität überfordert sind. Saskia Dreßen beschreibt als Beispiel, dass es ihr als Lehrerin sehr schwer fällt im Unterrichtsraum private Beratungsgespräche zu führen. Jo Meyer weist in diesem Zusammenhang auch auf die unerwartete multifunktionale Nutzung von Räumen hin, die man nicht planen kann, sondern die einfach entstehen.

Als ein weiteres Territorium mit multifunktionalem Charakter wird der Schulhof genannt. Dieser ist Raum für Auszeit und Entspannung, Bewegung und Spiel, und auch für Verhandlungen. Es gibt dort auch unsichtbare Grenzen, die gezogen werden, wo sich verschiedene Grüppchen sammeln.

Frauke Burgdorff lenkt das Gespräch zurück zu den Lehrern und ihren territorialen Beanspruchungen. Der Klassenraum dient ihnen als eine Art Bühne, aber auch als Gestaltungsraum, in dem sich ihr Stil und ihre Persönlichkeit abzeichnen können. Das Lehrerzimmer dient ihnen als Rückzugsort, Treffpunkt und Arbeitsraum. Auch genannt werden die Fachräume, z.B. für naturwissenschaftliche Fächer.

Neben Unterrichtsraum und Schulhof sind weitere mehrfach belegte Territorien, der Flur, das Foyer sowie die Mensa und/oder Cafeteria. An all diesen Orten gibt es Konflikte, da sie von mehreren Seiten aufgrund von Heimatgefühlen verteidigt werden. Hier könnten prozessorientierte Kunstprojekte Lockerungen bewirken, wenn eine Umgestaltung durch alle Beteiligten erfolgt. Hierfür ist eine Bereitschaft aller jedoch Grundlage.

"Die Räume lassen sich nur soweit verändern wie sich auch die Menschen verändern bzw. ein Lernen und Lehren ist nur so möglich wie das in Beziehung zu den Räumen steht." – Tom Braun

Zum Ende des Gesprächs weist Frau Burgdorff noch auf Schulen hin, die z.B. gar keine Wände haben oder nur Unterricht auf der Wiese machen und stellt die Frage, was wirklich weh täte, wenn es fehlte. Es stellt sich heraus, dass Schüler, Lehrer und Schulleitung sich im Prinzip eine Art Verortung wünschen, die wahrscheinlich auch Grenzen braucht. Es braucht eine gewisse intelligente architektonische Lösung.

Ein Ort wird zur Heimat, wenn man dorthin zurückkehren kann, er eine Grenze oder Adresse hat, Raum für soziale Bezugsgruppen bildet, wenn es ein Raum ist, an dem ich mich selbst wohlfühle, wenn er positive Resonanz gibt, wenn man dort empfangen wird.
Lisa Pirch erzählt, dass ihr Schulleiter jedem einen Keks anbietet, der in sein Büro kommt und beschreibt, dass damit meistens schon jede Einschüchterung oder Angst vor der Autorität verfliegt.

Der Begriff Territorium ist im Gegensatz zu Heimat eher negativ belegt, mit Angst und Ausgrenzung, was bezogen auf Schule zu relativ gefährlichen Orten wird. Das Territorium bestimmt, dass niemand anderes herein darf. Die Kultur wird von einer geschlossenen Gruppe bestimmt.

Wichtig für das Projekt ist der sensible Umgang mit Verlustängsten, da sich Menschen oft über territoriale Grenzen definieren. Menschen kriegen, wie Frauke Burgdorf beschreibt, oft einen großen Schrecken, wenn man in ihre Kreise eingreift.
Saskia Dreßen betont noch einmal die Wichtigkeit eines Lehrers für das Projekt, der als Kommunikationsglied mit dem Kollegium fungiert, damit niemand das Gefühl bekommt, dass ihm oder ihr etwas weggenommen würde.

Frauke Burgdorff wünscht Saskia Dreßen und Lisa Pirch Erfolgserlebnisse bei der Weiterführung des Projekts am Geschwister-Scholl-Gymnasium. Sie findet, dass die Energie, die von den anwesenden Gymnasiasten ausgeht, sehr positiv und teilhabend ist, und dass man merkt, dass ihnen das Projekt am Herzen liegt.

Protokoll: Iris Hamers, Studentin, FH Düsseldorf; Bearbeitung: Muriel McCalla und Thomas Düssel