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Fachtagung Schulkunst

Auswertung Expertentag

7 - Als Bild verstehen

Themenpatenschaft: Prof. Anja Vormann, Künstlerin und Kai Rheineck, Künstler

Ausgangspunkte:
Eine Form finden die Prozesse zu archivieren und die Erkenntnisse verfügbar zu machen
Sind künstlerische Prozesse reproduzierbar? Was ist übertragbar?
Einfach verständliche Darstellungsformen

FachkommentatorInnen:
Stefan Hölscher, Kunstakademie Münster
Renate Stuefer, Architektin, Wien

Teilnehmer:
Marco Neumann – Schüler des Heinrich-Hertz-Berufskolleg, Schwerpunkt Informatik
Kai Rheineck – Bildhauer aus Düsseldorf
Ute Reeh – Künstlerin aus Düsseldorf, Kunst verändert Schule e.V.
Sarah Scholz – Schülerin der Alfred-Herrhausen-Schule
Birgit Smeets – Lehrerin Alfred-Herrhausen-Schule
Renate Stuefer – Architektin aus Wien
Prof. Anja Vormann – Stv. Professorin für Audiovisuelles Design, FH Düsseldorf

Themenübersicht:
- Prozess und Wahrnehmung
- Rolle der Dokumentation
- Erarbeitung von Kriterien für die Internetpräsenz der Schulkunstprojekte


In dieser Tischgruppe wird von der These ausgegangen, dass ein Kunstprojekt als eine prozessorientierte Arbeit nicht zwingend ein „Endprodukt“ aufweisen muss. Wichtiger als ein solches Produkt ist der Prozess. Die Teilnehmer besprechen die Wahrnehmung innerhalb eines solchen Prozesses.

Natürlich ist das Endergebnis eines Schulkunstprojektes sehr wichtig. Aber trotzdem sollte während des Entstehungsprozesses zwischendurch angehalten werden und die Wahrnehmungen der SchülerInnen sollten anhand verschiedener Medien reflektiert werden. Wie sehen Schükerinnen und Schüler ihre Schule und was würden sie verbessern? Die Bilder sollten dabei offen entstehen dürfen.

„Wenn ich Utes Projekt anschaue, sehe ich, dass alles segmentiert ist. Es gibt viele Ebenen, wo man anhalten kann und sich ansehen, reflektieren und darüber reden kann. Was ist entstanden? Und was hat es mit uns gemacht?“ – Anja Vormann

Interessant wären auch mehrere Blickwinkel eines Gegenstandes, von SchülerInnen verschiedener Altersklassen und von LehrerInnen. Wo gäbe es Unterschiede, wo gäbe es Überschneidungen. Allein die Körpergröße würde Einfluss auf die Wahrnehmung nehmen.

„Es ist interessant zu sehen, welche Blicke es auf das Geschehen gibt. Wenn alle Beteiligten, die Schüler, Architekten und so weiter einmal die Videokamera nehmen würden, wie würden sie überhaupt filmen? Was wäre ihnen wichtig zu zeigen? Was würden sie lieber nicht zeigen wollen?“ – Anja Vormann

Das Medium sollte dabei frei gewählt werden dürfen. Ein Modell eignet sich ebenso gut als aussagekräftiges Medium wie ein Foto oder eine Zeichnung. Während der Prozesse können die in einer solchen Selbstbeobachtung entstandene Bilder sehr viel Information bieten.

„Manchmal geht es vielleicht gar nicht darum einen schönen Architekturentwurf herzustellen, sondern einfach nur um zu verstehen: Wie empfinden die Schüler ihr Gelände und möchten sie sich etwas aneignen oder möchten sie sich lieber zurückhalten?“ – Anja Vormann

Die Gruppe ist sich einig, eine Internetseite würde sich zur Archivierung der Entstehungsprozesse in Schulkunstprojekten anbieten. Sie könnte in einer sich wandelnden und wachsenden Form und ständig aktualisiertem Inhalt als eigenständiges Projekt stehen, auf der einen Seite das Projekt nach außen hin repräsentieren und auf der anderen den Schülern eine weitere Ebene der Reflexion bieten.

„Eine Internetseite ist vielleicht das adäquateste Medium um das Projekt darzustellen. Es hat viele Räume, Blickwinkel und Ebenen. Man kann auch Kommunikationsräume eröffnen. Es ist interaktiv.“ – Anja Vormann

Es ist ein Archiv, das sich entwickelt und nach Bedarf ausgebaut werden kann. Bei der Frage wer die Internetseite gestalten sollte, liefert Marco Heumann dank seiner Erfahrung im Bereich Webdesign und Programmierung Denkanstöße. Eine Internetseite sei üblicherweise auf Benutzerfreundlichkeit ausgelegt, d.h. gute Übersicht, aktuelle Geschehnisse auf einen Blick mit Verlinkungen für weitere Information. Dennoch rät er davon ab die Internetseite von außerhalb gestalten zu lassen. Die beteiligten Schüler sollten die Gestaltung lieber selbst übernehmen, da der Fokus nicht auf der Benutzerfreundlichkeit, sondern auf der Projektentwicklung aus Sicht der Schüler liegen sollte.

„Ich denke, die Hauptverantwortlichen, die Schüler, sollten mit eingreifen dürfen. Kinder könnten helfen andere möglicherweise bessere Strukturen für eine solche Internetplattform zu finden, als Erwachsene.“ – Marco Heumann

Ganz ohne Unterstützung sollen die SchülerInnen natürlich nicht bleiben. Auch wenn die Internetseite hauptsächlich als Archiv und Dokumentation gedacht sei, so ist sie doch auch als sozialer Raum zu begreifen. Ein Raum, unterteilt in mehrere Bereiche, die von SchülerInnenn jederzeit betreten und auch wieder verlassen werden können. Bereiche in denen SchülerInnen unter sich bleiben und Bereiche in denen SchülerInnen und LehrerInnen miteinander kommunizieren können. Bereiche in denen vielleicht nicht kommentiert werden darf und solche in denen um Kritik und Rat gefragt werden kann. Ein Administrator sollte dennoch vorhanden sein um Bilder zu überprüfen und freizuschalten und dafür zu sorgen, dass niemand gemobbt wird.
Auf Fotos abgebildete Schüler sollten aus Sicherheitsgründen nicht namentlich gekennzeichnet werden. Besser wäre eine Liste mit den Namen aller Beteiligten des Projektes auf einer separaten Seite. Die Gestaltung einer solchen Internetseite könnte den Schülern einen verantwortungsvollen Umgang mit Informationen aufzeigen.

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Nachmittag, gemeinsam mit Tisch 2 „Jeder kann sein Projekt im Projekt haben“
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Angeregt durch Beiträge im ersten Plenum befasst sich die zum Teil neu zusammengesetzte Gesprächsrunde zunächst mit den Fragen: „Wann ist ein Projekt gescheitert?“ und „Was ist ein Ergebnis?“

Gilt ein Projekt als gescheitert, wenn kein Endergebnis vorliegt? Im Vergleich mit schulischen Unterrichtsstrukturen würde die Antwort ja lauten. Ohne Endergebnis hat man nicht bestanden, also auch nichts gelernt und demzufolge ist man gescheitert.
Umso wichtiger ist es dann aber, den Prozess als solchen und alle mit ihm verbundenen Teilerfolge angemessen zu würdigen, denn sichtbare und vor allem auch spürbare Ergebnisse sind die Grundlage für bleibende Motivation bei Schülern über das gesamte Projekt hinweg. Solche Ergebnisse können in Form des Festhaltens einzelner Schritte und Teilerfolge in einer Dokumentation gesammelt werden.

„Kinder sind die größten Sammler und ich glaube, sie können das alles auch ordnen, wenn man ihnen den Raum dafür schafft und das Ernst nimmt.“ – Stefan Hölscher

Dokumentation ist auch eine Übung in Reflektion und Selektion von Erlebtem und Eindrücken während des Prozesses; der Schüler positioniert sich selbst. Die Dokumentation ist als eigener Schaffungsprozess anzusehen, welcher nicht Abbildungen produziert, sondern jeweils eigene Bilder und Perspektiven schafft.
Diese Bilder enthalten nicht einen vorgelagerten Sinn sondern ihr Sinn wird erst geschaffen, muss noch verhandelt werden. Diese Einstellung ist vor allem Schülern fremd: Sie lernen das Erfüllen von Aufgaben, das Auffinden von schon vorhandenem Sinn in Bildern oder Texten und schließlich das Anwenden von Ergebnissen zum Erreichen eines Nutzen. Dahingegen ist die künstlerische Perspektive eine, die in der Sache selbst alle Möglichkeiten sieht, die die Sache durch verschiedene Medien zu begreifen sucht.

"…auf der anderen Seite ist klar, dass der Sinn immer vorgängig ist. So ist das bei uns aufgebaut was Wissen heißt. Und das kann nicht klappen bei nicht-abbildhaften Materialien. Die man dann so weiterdenken kann, mit denen man Sinn produzieren kann… Die muss man ganz anders lesen… Und das meine ich mit Kunst als Verfahren. Nicht unbedingt das tolle Objekt… Das denke ich macht die Ute und das will sie auch mit ihrer Arbeit vermitteln." – Christopher Dell

Die Resultate, die sich auf dem Weg zum Ergebnis ergeben, sollten also sichtbar gemacht werden, sollten nicht nur in der Erinnerung festgehalten werden. Zur Abbildung von Prozessen ist regelmäßiges Dokumentieren eine gute Möglichkeit. Wichtig ist: Welches Medium wird dabei verwendet und welche Form wird gewählt?

„Ich finde den Gedanken schön, immer wieder ein anderes Medium anzubieten, um sich auszudrücken. Und wenn jeder den Zugang zu einem Medium findet, mit dem er sich besonders stark ausdrücken kann, ob das jetzt ein Vortrag ist oder ob das eine Zeichnung ist.“ – Anja Vormann

Eine Dokumentation sollte während des Projektes von Beginn an geführt und von Lehrpersonen und dem Künstler unterstützend begleitet werden. Sie hält den Arbeitsprozesses fest, schafft Ordnung und dient als Gedächtnis. Fehler können besser erkannt und vermieden werden.

Richtiges Dokumentieren muss gelernt werden, denn eine Dokumentation kann mehr als nur das chronologische Abbilden der Arbeitsschritte sein. Vielmehr nimmt sie hier den Stand als eigenes Ausdrucksmittel für jeden einzelnen Schüler ein. Darüber waren sich fast alle Beteiligten am Tisch einig. Es wird die Frage gestellt, ob man hier vielleicht auch eine Grenze setzen sollte und diese Dokumentationen vielleicht nur gewissen Personenkreisen, wie Freunden und Familienmitgliedern zugänglich machen sollte.

Sinn einer Dokumentation ist neben dem Versuch der Abbildung eines Prozesses und der (Selbst-) Beobachtung auch das Entwickeln einer eigenen Perspektive auf das Projekt und schließlich eines eigenen Ausdrucks. Das Bilder Schaffen, das Dokumentieren dient im Projekt der Positionierung der Schaffenden und Betrachter.
Die Bilder und andere Ergebnisse können die unterschiedlichsten Anwendungen haben. Sie können künstlerischer Ausdruck sein oder für einen wirtschaftlichen Zweck eingesetzt werden. Das bedeutet, dass Informationen über den internen, am Projekt beteiligten Kreis hinaus, verschiedenen Öffentlichkeiten zugänglich gemacht werden. Diese Öffentlichkeiten und Anwendungen zu besprechen und zu verhandeln, ist ebenfalls Teil der Dokumentation.

Die Dokumentation dient also auch der Transparenz von Motiven in einem Projekt. Zu diesen Motiven zählen einerseits die Interessen für und gegen bestimmte Umsetzungen, andererseits die Zwecke, die die Gestaltung und Verwendung der Dokumentation bestimmen.

Dennoch entstehen gerade im prozesshaften Arbeiten jede Menge Zwischenergebnisse, viel mehr als schließlich weiter entwickelt oder gar realisiert werden. Die Dokumentation erweitert das Feld der Möglichkeiten hin zu mehr möglichen Entscheidungen. Durch eine Reflektionsebene und die Möglichkeit einen Schritt zurück zu machen, ältere Ergebnisse mit einzubeziehen, wird es möglich, sich in seiner Entwicklung nicht nur linear auszudehnen, sondern auch in die Breite, sich zu vertiefen.

Durch eine persönliche Dokumentation des Projekts und der eigenen Arbeit ist ein differenziertes, die Neigung berücksichtigendes Arbeiten möglich. Die eigene Arbeit wird dadurch reflektiert, kann vom Schüler oder Lehrer selbst geschätzt werden und kann anderen präsentiert und somit auch von ihnen geschätzt werden.

"Ich persönlich hätte es besser gefunden, wenn es eine größere Vielfalt (bei der Dokumentation) gegeben hätte. Nicht nur Fotos aber auch nicht nur spröde Texte sondern wenn von beidem was da gewesen wäre, wenn jeder Schüler der mitgewirkt hat was gehabt hätte oder wenn es in der Schülerzeitung gekommen wäre." – Geraldine Güldenmeister

Die Dokumentation von prozessorientierten Projekten bedeutet schließlich auch Archivierung und zur Verfügung stellen von Ergebnissen und Methoden für folgende Generationen. Die Dokumentation dient somit nicht nur der Orientierung im laufenden Projekt sondern auch in zukünftigen Projekten.

Zum Ende der Gesprächsrunde kommt die Tischgruppe noch einmal auf das Thema Internetseite zurück. So eine Internetseite ist ein potentiell multiperspektivisches, nicht-hierarchisches und interaktives Medium. Es bietet außerdem die Möglichkeit, verschiedenste Medien einzubinden, was der Dokumentation entgegen kommt: Prozesse lagern sich in unterschiedlichen Medien unterschiedlich ab. Eine Internetseite kann mit dem Projekt wachsen. Sie dient als Archiv und ermöglicht dabei die Beobachtung von Strukturen und Motiven.

Protokoll: Sara Lopes, Studentin Kommunikationsdesign, FH Düsseldorf; Bearbeitung: Muriel McCalla und Thomas Düssel